The Project Gutenberg EBook of Die Richterin, by Conrad Ferdinand Meyer

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Title: Die Richterin

Author: Conrad Ferdinand Meyer

Release Date: January, 2006  [EBook #9632]
[This file was first posted on October 11, 2003]

Edition: 10

Language: German

Character set encoding: US-ASCII

*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK, DIE RICHTERIN ***




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Die Richterin

Novelle

Conrad Ferdinand Meyer







Erstes Kapitel


"Precor sanctos apostolos Petrum er Paulum!" psalmodierten die Moenche
auf Ara Coeli, waehrend Karl der Grosse unter dem lichten Himmel eines
roemischen Maerztages die ziemlich schadhaften Stufen der auf das
Kapitol fuehrenden Treppe emporstieg. Er schritt feierlich unter der
Kaiserkrone, welche ihm unlaengst zu seinem herzlichen Erstaunen Papst
Leo in rascher Begeisterung auf das Haupt gesetzt.  Der Empfang des
hoechsten Amtes der Welt hatte im Ernste seines Antlitzes eine tiefe
Spur gelassen.  Heute, am Vorabend seiner Abreise, gedachte er einer
solennen Seelenmesse fuer das Heil seines Vaters, des Koenigs Pippin,
beizuwohnen.

Zu seiner Linken ging der Abt Alcuin, waehrend ein Gefolge von
Hoeflingen, die aus allen Laendern der Christenheit zusammengewaehlte
Palastschule, sich in gemessener Entfernung hielt, halb aus
Ehrerbietung, halb mit dem Hintergedanken, in einem guenstigen
Augenblicke sich sachte zu verziehen und der Messe zu entkommen.  Die
vom Wirbel zur Zehe in Eisen gehuellten Hoeflinge schlenderten mit
gleichgueltiger Miene und hochfahrender Gebaerde in den erlauchten
Stapfen, die Begruessung der umstellenden Menge mit einem kurzen
Kopfnicken erwidernd und sich ueber nichts verwundern wollend, was
ihnen die Ewige Stadt Grosses und Ehrwuerdiges vor das Auge stellte.

Jetzt hielten sie vor der ersten Stufe, waehrend oben auf dem Platze
Karl mit Alcuin bei dem ehernen Reiterbilde stillestand.  "Ich kann es
nicht lassen", sagte er zu dem gelehrten Haupte, "den Reiter zu
betrachten.  Wie mild er ueber der Erde waltet!  Seine Rechte segnet!
Diese Zuege muessen aehnlich sein."

Da fluesterte der Abt, den der Hafer seiner Gelehrsamkeit stach: "Es
ist nicht Constantin.  Das hab ich laengst heraus.  Doch ist es gut,
dass er dafuer gelte, sonst waeren Reiter und Gaul in der Flamme
geschmolzen." Der kleine Abt hob sich auf die Zehen und wisperte dem
grossen Kaiser ins Ohr: "Es ist der Philosoph und Heide Marc Aurel."
"Wirklich?" laechelte Karl.

Sie gingen der Pforte von Ara Coeli zu, durch welche sie verschwanden,
der Kaiser schon in Andacht vertieft, so dass er einen netten jungen
Menschen in raetischer Tracht nicht beachtete, der unferne stand und
durch die ehrfuerchtigsten Gruesse seine Aufmerksamkeit zu erregen suchte.

"Halt, Herren", rief einer der inzwischen bei dem Reiterbilde
angelangten Hoeflinge und fing rechts und links die Haende der neben ihm
Wandelnden, "jetzt, da alles treibt und schwillt"--Erd- und Lenzgeruch
kam aus nahen Gaerten--, "will ich meinen Becher und was mir sonst lieb
ist mit Veilchen bekraenzen, aber keinen Weihrauch trinken, am
wenigsten den einer Totenmesse.  Ich habe hier herum eine Schenke
entdeckt mit dem steinernen Zeichen einer saugenden Woelfin.  Das hat
mir Durst gemacht.  Sehen wir uns noch ein bisschen den Reiter an und
verduften dann in die Tabernen."

"Wer ist's?" fragte einer.

"Ein griechischer Kaiser"

"Den setzen wir ab"--

"Wie er die Beine spreizt!"--

"Reitet der Kerl in die Schwemme?"--

"Holla, Stallknecht!"--

"Nettes Tier!"--

"Wuelste wie ein Mastschwein!"

So ging es Schlag auf Schlag, und ein frecher Witz ueberblitzte den
andern.  Das antike Ross wurde gruendlich und unbarmherzig kritisiert.

Der artige Raeter hatte sich nach und nach dem Kreise der Spoetter
genaehert.  Seine Absicht schien, zwischen zwei Gelaechtern in ihre
Gruppe zu gelangen und auf eine unverfaengliche Weise mit der Schule
anzuknuepfen.  Aber die Hoeflinge achteten seiner nicht.  Da fasste er
sich ein Herz und sprach in vernehmlichen Worten zu sich selbst:
"Erstaunliche Sache, diese Palastschule, und ein Guenstling des Gluecks,
wer ihr angehoeren darf!"

Ueber eine gepanzerte Schulter wendete sich ein junger Rotbart und
sprach gelassen: "Wir schwaenzen sie meistenteils." Dann kehrte sich
der ganze Hoefling, ein baumlanger Mensch, und fragte den Raeter mit
einem spoettischen Gesichte: "Welcher Eltern ruehmst du dich, Knabe?"

Dieser gab vergnuegten Bescheid.  "Ich bin der Neffe des Bischofs Felix
in Chur und mit seinen Briefen an den Heiligen Stuhl geschickt."

"Raeter", sprach der Lange ernsthaft, "du bist an den Quell der
Wahrheit gesendet.  Hier stehst du auf den Schwellen der Apostel und
ueber den Grueften unzaehliger Bekenner.  Lege wahrhaftes Zeugnis ab und
bekenne tapfer: Ich bin der Sohn des Bischofs."

Eben intonierten die Moenche von Ara Coeli mit jungen und markigen
Stimmen die dunkle Klage und flehende Entschuldigung: "Concepit in
iniquitatibus me mater mea!"

"Hoerst du", und der Hoefling deutete nach der Kirche, "die dort wissen
es!" Der ganze Haufe schlug eine schallende Lache auf.

Der kluge Bischofsneffe huetete sich, in Zorn zu geraten.  Mit einem
fluechtigen Erroeten und einer leichten Wendung des Kopfes sagte er.
"Bischof Felix, der im Schatten seiner Berge die aus eurer Schule
aufsteigende Sonne der Bildung mit frommem Jubel begruesst, hat mir den
Auftrag gegeben, fuer seine jung gebliebene Lernbegierde einige
Hauptschriften der erwachenden Wissenschaft und insbesondere das
unvergleichliche Buechlein der Disputationen des Abtes Alcuin zu
erwerben.  Nun wird erzaehlt, dieser grosse und gute Lehrer habe jeden
von euch mit einem kostbaren Exemplare ausgeruestet, und ich meine nur,
einer dieser Herren haette vielleicht Lust, einen Handel zu schliessen."

"Du sprichst wahr und weise, Bischofssohn", parodierte ihn der Hoefling,
"und waere mein Alcuin nicht laengst unter die Hebraeer gegangen, mochte
es geschehen, dass wir zweie zu dieser Stunde darum ein kurzweiliges
Wuerfelspielchen machten."

"In unchristliche Haende! diese goettliche Weisheit!" wehklagte der
Raeter.

"Weisheit!" spottete der Rotbart, "ich versichere dir: lauter dummes
Zeug.  Uebrigens weiss ich es auswendig.  Hoere nur, Bergbewohner!" Er
kruemmte den langen Ruecken wie ein verbogener Schulmeister, zog die
Brauen in die Hoehe und wendete sich an den juengsten der Bande, einen
Krauskopf, der, fast noch ein Knabe, aus suedlichen Augen lachend mit
Lust und Liebe auf das gottlose Spiel einging.

"Juengling", predigte der falsche Alcuin, "du hast einen guten
Charakter und einen gelehrigen Geist.  Ich werde dir eine ungeheuer
schwere Frage vorlegen.  Siehe, ob du sie beantwortest.  Was ist der
Mensch?"

"Ein Licht zwischen sechs Waenden", antwortete der Knabe andaechtig.

"Welche Waende?"

"Das Links, das Rechts, das Vorn, das Nichtvorn, das Oben, das Unten."
Jeden dieser Raeume bezeichnete er mit einer Gebaerde: beim fuenften
starrte er in den leuchtenden Himmel hinauf, als bestaune er einen
Engelreigen, und bohrte schliesslich einen stieren Blick in den Boden,
als entdecke er die verschuettete Tarpeja.  Jubelndes Klatschen
belohnte die Faxe.

Die wachsende Lustigkeit der Palastschule begann den Bischofsneffen zu
aengstigen.  Da trat im guten Augenblicke einer aus dem Kreise, ein
kuehner Krieger, dem an der rechten Seite des staemmigen Wuchses ein
seltsam gewundenes Hifthorn hing.  "Sei getrost", sagte er und ergriff
die Hand des Raeters, "du sollst ein Pergament haben.  Das meinige.  Es
schleppt sich unter dem Gepaecke." Er fuehrte den Erloesten weg, die
Treppe des Kapitols hinunter, sich nicht weiter um seine Gefaehrten
bekuemmernd.

Jetzt gingen sie freundlich nebeneinander, wenn auch nicht mehr Hand
in Hand.  Die des Palastschuelers war auf das Hifthorn geglitten, das
der Bischofsneffe mit aufmerksamen Blicken betrachtete.  "Das hier
kommt aus dem Gebirge", sagte er.

"So", machte der Behelmte.  "Aus welchem Gebirge?"

"Aus unserm, Landsmann.  Ich kenne dich an deiner Sprache, wie du mich
ebendaran erkannt haben wirst, da du mich, wofuer ich dir danke, den
Neckereien der Palastschule entzogest.  Dass du es wissest, ich bin
Graciosus"--der kluge Raeter hatte diesen seinen huebschen Namen den
Spoettern am Reiterbilde weislich verschwiegen--"oder auf deutsch
Gnadenreich, und du bist Wulfrin, Sohn Wulfs, wenn dieses Hifthorn
dein Erbteil ist, wie ich vermute."

Wulfrin runzelte die Stirn.  Es mochte ihm nicht willkommen sein, von
der Heimat zu hoeren.  Dann musterte er Gnadenreich und fand einen
anmutenden, wohlgebildeten Juengling, eine Gott und Menschen gefaellige
Erscheinung, nicht anders als der Name lautete.  Er klopfte ihn auf
die runde Schulter, deren Schmiegsamkeit zu dieser beschuetzenden
Liebkosung einlud, und sagte.  "Es macht warm." In der Tat strahlte
nicht nur die roemische Maerzsonne, sie brannte sogar.

"Ja, es macht warm", wiederholte er, hob den Helm und wischte mit der
Hand einen Schweisstropfen.  "Leeren wir einen Becher?", und ohne die
Antwort zu erwarten, bog er nach wenigen Schritten in den offenen
Hofraum eines kloesterlichen Gebaeudes und warf sich dort auf eine
Steinbank, wo Graciosus in Zuechten sich neben ihn setzte.  "Ich darf
mich nicht weiter verziehen", sagte der Hoefling, "als das Horn reicht,
wann Herr Karl die Schule zusammenruft.  Auch liebe ich dieses junge
Geschoepf", scherzte er und zeigte auf eine Palme, welche in geringer
Entfernung auf dem Vorsprunge eines Huegels, von leichten Windstoessen
bewegt, sich im blauen Himmel faecherte und etwa sechzehn Jahresringe
zaehlen mochte.  "Hier heisst es ad palmam novellam, und Pfoertner Petrus
schenkt einen herben.  He, Petrus!" Dieser, ein Alter mit struppigem
Bart, feurigen Augen und zwei riesigen Schluesseln am Gurte, brachte
Kanne und Becher.

"Palma novella ist auch ein Frauenname", bemerkte Graciosus und netzte
den Mund.

"Mag sein", versetzte Wulfrin.  "In Hispanien, wenn mir recht ist,
laeuft derlei Getauftes oder Ungetauftes herum.  Ich habe mich nicht
damit befasst.  Ich mache mir nichts aus den Weibern."

"Deine raetische Schwester heisst auch nicht anders", sagte Gnadenreich
unschuldig.

"Meine--raetische--Schwester?"

"Nun ja, Wulfrin, das Kind der Judicatrix, meiner Nachbarin auf
Malmort am Hinterrhein.  Du hast sie nie von Angesicht gesehen, die
Frau Stemma, das zweite Weib deines Vaters?"

"Das dritte", murrte Wulfrin.  "Ich bin von der zweiten."

"Das weisst du besser.  Auch das jaehe Ende deines Vaters weisst du, bei
seinem Aufritt in Malmort.  Palma ist nachgeboren."

"Es sei", versetzte Wulfrin verdrossen.  "Warum auch sollte es nicht
sein?  Ruehrt mich aber nicht.  Was mich kuemmern konnte, hat mir der
Knecht des Vaters, der Steinmetz Arbogast, umstaendlich berichtet.  Ich
habe es mit ihm beredet und eroertert mehr als einmal und noch zuletzt
am Wachfeuer vor Pertusa, wenige Augenblicke bevor den treuen Kerl der
maurische Pfeil meuchelte.  Das ist nun fertig und abgetan.  Wisse:
als Siebenjaehriger bin ich daheim ausgerissen--der Vater hatte mir das
sieche Muetterlein ins Kloster gestossen--und ueber Stock und Stein zu
Koenig Karl gerannt.  Dorthin hat mir der Arbogast mein Erbe gebracht,
das Wulfenhorn, dieses hier.  Der Wulfenbecher, der dazu gehoert,
obschon er heidnisch ist--das Horn ist biblischen Ursprungs--, blieb
auf Malmort und mag dort bleiben, bis ich freie, und das hat Weile.
Sie werden ihn aufgehoben haben.  Du hast ihn wohl gesehen, wenn du
dort ein und aus gehst."

Graciosus nickte.

"Verstehe: beide, Horn und Kelch, sind zwei Altertuemer, mit Tugenden
und Kraeften begabt.  Den Becher gab einem Woelfling ein Elb oder eine
Elbin von denen im Hinterrhein.  Solang eines Wolfes Weib ihn ihrem
Wolfe kredenzt und den dareingegrabenen Spruch ohne Anstoss hersagt,
einmal vorwaerts und einmal rueckwaerts, gefaellt und mundet sie dem Wolfe.
Ueber das Hifthorn sind die Meinungen geteilt.  Nach den einen ist
es gleichfalls ein elbisches Geschenk, und vor dem Burgtor bei der
Rueckkehr geblasen, zwingt es die Woelfin zu bekennen, was immer sie in
Abwesenheit des Gatten gesuendigt hat.  Andere dagegen behaupten, dass
ein Wolf im Gelobten Lande das Horn mit seinem Schwert aus dem
erstarrten Pech und Schwefel des Toten Meeres grub.  So ist es ein im
Getuemmel zur Erde gestuerztes Harschhorn, von denen, welche die
himmlischen Haufen bliesen zum Gericht ueber Sodom und Gomorra."
Wulfrin blickte dem Raeter ins Gesicht, der ihm--Schlauheit oder
Einfalt--zwei glaeubige Augen entgegenhielt.

Eben wurde vom Winde ein Bruchstueck der Seelenmesse aus Ara Coeli
hergetragen.  Zornig und drohend sangen sie dort: "Dies irae, dies
illa, dies magna et amara valde!"

"Schoene Baesse", lobte Wulfrin.  "Um wieder auf den Becher zu kommen,
so glaube ich nicht an seine Kraft.  Sicherlich hat die Mutter nicht
unterlassen, seinen Spruch herzubeten, vorwaerts und rueckwaerts.  Es hat
nichts gefruchtet.  Sie welkte, und der Vater verstiess sie." Er tat
einen Seufzer.

"Und das Horn?" fragte Schelm Graciosus.

Der Hoefling wog es in den Haenden und laechelte.  Graciosus laechelte
gleichfalls.

"Uebrigens ist es das beste Hifthorn im Heere.  Das ruft!  Hoere nur!"
und er setzte es an den Mund.

"Um aller Heiligen willen, Wulfrin, lass ab!" schrie Graciosus
aengstlich.  "Willst du die Stadt Rom in Aufruhr bringen?"

"Du hast recht, ich dachte nicht daran." Wulfrin liess das Horn in die
tragende Kette zurueckfallen.

"Dieses Hifthorn", sagte jetzt Graciosus bedaechtig, "wurde mir
beschrieben.  Auch hat es der Knecht Arbogast in Stein gemeisselt auf
dem Grabmal im Hofe von Malmort, wo er den Comes, deinen Vater,
abbildete und die Wittib daneben."

"So?" grollte Wulfrin.  "Konnte der Vater nicht allein liegen?"

Graciosus liess sich nicht einschuechtern.  "An den Herrn des Hifthorns
habe ich einen Auftrag", sagte er.

"Du bist voller Auftraege.  Von wem hast du diesen?"

"Von der Richterin."

"Welche Richterin?" Entweder war Wulfrin von harten Begriffen oder
seine Laune verschlechterte sich zusehends.

"Nun, die Judicatrix Stemma, deine Stiefmutter."

"Was hab ich mit der Alten zu schaffen!  Warum laechelst du, Maennchen?"

"Weil du so mit ihr umgehst, die noch schoen und jung ist."

"Ein altes Weib, sage ich dir."

"Ich bitte dich, Wulfrin!  Dein Vater freite sie als eine
Sechzehnjaehrige.  Dein Geschwister ist nicht aelter.  Zaehle zusammen!
Doch jung oder alt, sie gab mir den Auftrag, und ich darf ihn nicht
unausgerichtet heimbringen."

Der Hoefling verschluckte einen Fluch.  "Du verdirbst mir den Kraetzer,
er schmeckt wie Galle." Erbost stiess er den Becher von der Bank und
setzte den Fuss darauf.  "So sprich!"

"Frau Stemma", begann Gnadenreich in bildlicher Rede, "will sich vor
dir die Haende in ihrer Unschuld waschen."

"Ein Becken her!" spottete Wulfrin, als riefe er in die Gasse hinaus
nach einem Bader.

"Wulfrin, stuende sie vor dir, du straftest deine Lippen!  Keine in
Raetien hat edlere Sitte.  Was sie verlangt, ist gebuehrlich.  Auf der
Schwelle ihres Kastells, vor ihrem Angesichte, jaehlings ist dein Vater
erblichen.  Das ist schrecklich und fragwuerdig.  Frau Stemma laesst dir
sagen, sie wundere sich, dass sie dich rufen muesse, sie habe dich
laengst, taeglich, stuendlich erwartet, seit du zu deinen muendigen Jahren
gekommen bist.  Nur ein Sorgloser, ein Fahrlaessiger, ein
Pflichtvergessener--nicht meine Worte, die ihrigen--verschiebe und
versaeume es, sie zur Rechenschaft zu ziehen."

Wulfrin blickte finster.  "Das Weib tritt mir zu nahe", sagte er.
"Ich wusste, was man einem Vater schuldig ist.  Er hat an meiner Mutter
gefrevelt, und sein Gedaechtnis--die Kriegstaten ausgenommen--ist mir
unlieb: dennoch habe ich mir seine Todesgebaerde vergegenwaertigt, den
Augenzeugen Arbogast, der das Luegen nicht kannte, habe ich scharf ins
Verhoer genommen.  Jetzt will ich noch ein uebriges tun und dir die
gemeine Sache herbeten, vom Kredo bis zum Amen.  Du bist aus dem Lande
und kennst die Geschichte.  Mangelt etwas daran oder ist etwas zuviel,
so widersprich!"

Der Vater kam aus Italien und naechtigte bei dem Judex auf Malmort.
Bei Wein und Wuerfeln wurden sie Freunde, und der Vater, der, meiner
Treu, kein Juengling mehr war--ich habe aus der Wiege seinen weissen
Bart gezupft--, warb um das Kind des Richters und erhielt es.  Beim
Bischof in Chur wurde Beilager gehalten.  Am dritten Tage setzte es
Haendel.  Der Raezuenser, dessen Werbung der Judex abgewiesen haben
mochte, wurde zu spaet oder ungebuehrlich geladen oder an einen
unrechten Platz gesetzt oder nachlaessig bedient oder schlecht
beherbergt, oder es wurde sonst etwas versehen.  Kurz, es gab Streit,
und der Raezuenser streckt den Judex.  Der Vater hat den Schwieger zu
raechen, berennt Raezuens eine Woche lang und bricht es.  Inzwischen
bestattet das Weib den Judex und reitet nach Hause.  Dort sucht sie
der Vater, mit Beute beladen.  Er stoesst ins Horn, der Sitte gemaess.
Sie tritt ins Tor, sagt den Spruch und kredenzt den Wulfenbecher, den
ihr der Vater in Chur nach woelfischer Sitte als Morgengabe gereicht
hatte.  Kredenzt ihn mit drei Schluecken.  Der Arbogast, der durstig
daneben stand, hat sie gezaehlt: drei herzhafte Schluecke.  Der Vater
nimmt den Becher, leert ihn auf einen Zug und haucht die Seele aus.
War es so oder war es anders, Bischofsneffe?"

"Woertlich und zum Beschwoeren so", bestaetigte Graciosus.  "Von hundert
Zeugen, die den Burghof fuellten, zu beschwoeren!  Soviel ihrer noch am
Leben sind.  Und solches ist geschehen nicht im Zwielichte, nicht bei
flackernden Spaenen, sondern im Angesicht der Sonne zu klarer
Mittagszeit.  Der Comes, dein Vater, war rasend geritten, hatte im
Buegel manchen Trunk getan"--

"Und mit fliegender Lunge ins Horn gestossen, vergiss nicht!" hoehnte
Wulfrin.

"Er triefte und keuchte"--

"Er lechzte wie eine Bracke!" ueberbot ihn Wulfrin.

"Er sehnte sich nach seinem Weibe", daempfte Graciosus.

"Trunken und bruenstig! unter gebleichten Haaren! pfui!  Ist das zum
Abmalen und an die Wand heften?  Was will die Judicatrix?  Mich
schwoeren lassen, dass wir Woelfe gemeinhin am Schlage sterben?  Was
freilich auf die Wahrheit herausliefe."

"Es ist ihr Wille so, und man gehorcht ihr in Raetien."

"Seht einmal da! ihr Wille!" hohnlachte Wulfrin.  "Mein Wille ist es
nicht, und meine Heimat ist nicht ein Bergwinkel, sondern die weite
Welt, wo der Kaiser seine Pfalz bezieht oder sein Zelt aufschlaegt.
Sage du deiner Richterin, Wulfrin sei kein Laurer noch Argwoehner!  Sie
ruehre nicht an die Sache!  Sie zerre den Vater nicht aus dem Grabe!
Ich lasse sie in Ruhe, kann sie mich nicht ruhig lassen?" Er drohte
mit der Hand, als stuende die Stiefmutter vor ihm.  Dann spottete er:
"Hat das Weib den Narren gefressen an Spruch und Urteil?  Hat es eine
kranke Lust an Schwur und Zeugnis?  Kann es sich nicht ersaettigen an
Recht und Gericht?"

"Es ist etwas Wahres daran", sagte Graciosus laechelnd.  "Frau Stemma
liebt das Richtschwert und befasst sich gerne mit seltenen und
verwickelten Faellen.  Sie hat einen grossen und stets beschaeftigten
Scharfsinn.  Aus wenigen Punkten erraet sie den Umriss einer Tat, und
ihre feinen Finger enthuellen das Verborgene.  Nicht dass auf ihrem
Gebiete kein Verbrechen begangen wuerde, aber geleugnet wird keines,
denn der Schuldige glaubt sie allwissend und fuehlt sich von ihr
durchschaut.  Ihr Blick dringt durch Schutt und Mauern, und das
Vergrabene ist nicht sicher vor ihr.  Sie hat sich einen Ruhm erworben,
dass fernher durch Briefe und Boten ihr Weistum gesucht wird."

"Das Weib gefaellt mir immer weniger", grollte Wulfrin.  "Der Richter
walte seines Amtes schlecht und recht, er lausche nicht unter die Erde
und schnueffle nicht nach verrauchtem Blute."

Graciosus beguetigte.  "Sie redet davon, ihr Haus zu bestellen, obwohl
sie noch in Bluete und Kraft steht.  Vielleicht sorgt sie, wenn sie
nicht mehr da waere, koenntest du deine Schwester in Unglueck stuerzen"--

"In Unglueck?"

"Ich meine, sie berauben und verjagen unter dem Vorwande einer
unaufgeklaerten und ungeschlichteten Sache.  Darum, vermute ich, will
sie dich nach Malmort haben und sich mit dir vertragen."

Wulfrin lachte.  "Wirklich?" sagte er.  "Sie hat einen schoenen Begriff
von mir.  Meine Schwester pluendern?  Das arme Ding!  Im Grunde kann es
nicht dafuer, dass es auf die Welt gekommen ist.  Doch auch von ihr will
ich nichts wissen." Waehrend er redete, zaehlte sein Blick die
Jahresringe der jungen Palme.  "Fuenfzehn Ringe?" sagt er.

"Fuenfzehn Jahre", berichtigte Graciosus.

"Und wie schaut sie?"

"Stark und warm", antwortete Gnadenreich mit einem unterdrueckten
Seufzer.  "Sie ist gut, aber wild."

"So ist es recht.  Und dennoch will ich nichts von ihr wissen."

"Sie aber weiss von nichts anderm als von dem fremden, reisigen,
fabelhaften Bruder, der sich mit den Sachsen balgt und mit den
Sarazenen rauft.  'Wann der Bruder kommt'--'Das gehoert dem
Bruder'--'Das muss man den Bruder fragen'--davon werden ihr die Lippen
nicht trocken.  Jedes Hifthorn jagt sie auf, sie springt nach deinem
Becher und damit an den Brunnen.  Sie waescht ihn, sie reibt ihn, sie
spuelt ihn."

"Warum, Narr?"

"Weil sie dir ihn kredenzen will und dein Vater sich daraus den Tod
getrunken hat."

"Dummes Ding!  Du also wirbst um sie?"

Der ertappte Graciosus erroetete wie ein Maedchen.  "Die Mutter
beguenstigt mich, aber an ihr selbst werde ich irre", gestand er.
"Kaemest du heim, ich baete dich, ein Wort mit ihr zu reden."

Wieder musterte Wulfrin den netten Juengling und wieder klopfte er ihn
auf die Schulter.  "Sie haelt dich zum besten?" sagte er.

"Sie redet Raetsel.  Da ich neulich auf mein Herz anspielte"--

"Schlug sie die Augen nieder?"

"Nein, die schweiften.  Dann zeigte sie mit dem Finger einen Punkt im
Himmel.  Ich blinzte.  Ein Geier, der ein Lamm davontrug.
Unverstaendlich."

"Klar wie der Morgen.  'Raube mich.'  Das Maedchen gefaellt mir."

"Du willst sie sehen?"

"Niemals."

Jetzt trat ein Palastschueler mit suchenden Blicken in den Hofraum und
dann rasch auf Wulfrin zu.  "Du", sagte er, "die Messe ist aus, der
Koenig verlaesst die Kirche." Der "Kaiser" wollte ihm noch nicht ueber die
Zunge.

Wulfrin sprang auf.  "Nimm mich mit!" bat Graciosus, "damit ich dem
Herrn der Erde nahe trete und ihn reden hoere."

"Komm", willfahrte Wulfrin gutmuetig, und bald standen sie neben dem
Kaiser, vor welchem ein ehrwuerdiger, aber etwas verwilderter Graubart
das Knie bog.  Gnadenreich erkannte Rudio, den Kastellan auf Malmort,
und wunderte sich, welche Botschaft der Raeter bringe, denn Karl hielt
ein Schreiben in der Hand.  Er reichte es dem Abte, und Alcuin las vor:

"Erhabener, da ich hoere, Du werdest von Rom nach dem Rheine ziehen,
flehe ich Dich an, dass Du Deinen Weg durch Raetia nehmest.  Seit Jahren
haben sich in unsern verwickelten Taelern versprengte Lombarden
eingenistet unter einem Witigis, der sich Herzog nennt.  Wir, die
Herrschenden im Lande, unter uns selbst uneins und ohne Haupt, werden
nicht mit ihnen fertig, ja einige von uns zahlen ihnen Tribut.  Ein
unertraeglicher Zustand.  Du bist der Kaiser.  Wenn du kommst und
Ordnung schaffst, so tust Du, was Deines Amtes ist.  Stemma,
Judicatrix."

"Keine Schwaetzerin", sagte der Kaiser.  "Meine Sendboten haben mir von
der Frau erzaehlt." Alcuin betrachtete die Handschrift.  "Feste Zuege",
lobte er.

"Alcuin, du Abgrund des Wissens", laechelte Karl, "was ist Raetien?
Welche Paesse fuehren dahin?"

Der kleine Abt fuehlte sich durch Lob und Frage geschmeichelt, wendete
sich aber nicht an den Gebieter, sondern, als der Hoefling und der
Schulmeister, welcher er war, an die Palastschule, die schon zu einem
guten Drittel, den Blondbart inbegriffen, um den Kaiser versammelt
stand.

"Juenglinge", lehrte er und zog die Brauen in die Hoehe, "wer seinen Weg
durch das raetische Gebirge nimmt, hat, ohne den harten, aber in Stuecke
zerrissenen Damm einer Roemerstrasse zu zaehlen, die Wahl zwischen
mehreren Steigen, die sich alle jenseits des Schnees am jungen Rheine
zusammenfinden.  Diese Wege und Stapfen fuehren im Geisterlicht der
Firne durch ein beirrendes Netz verstrickter Taeler, das die Fabel mit
ihren zweifelhaften Gestalten und luftigen Schrecken bevoelkert.  Hier
ringelt sich die Schlangenkoenigin, wie verlockt von einer Schale Milch,
einem blanken Wasser zu, gegenueber, aus einem finstern Borne, taucht
die Fei und wehklagt."

"Lehrer, was hat sie fuer Gruende dazu?" fragte der Rotbart wissbegierig.

"Sie ahnt das ewige Gut und kann nicht selig werden.  Dahinter,
zwischen Schnee und Eis, in einem gruenen Winkel, weidet eine
glockenlose Herde, und ein kolossaler Hirte, halb Firn halb Wolke,
neigt sich ueber sie.  Tiefer unten, bei den ersten Stapfen, verliert
die harmlose Fabel ihre Kraft, und menschliche Schuld findet ihre
Hoehlen und Schlupfwinkel.  Hier raucht und schwelt eine gebrochene
Burg, dort starrt, von Raben umflattert, ein Moerder in den
zerschmetternden Abgrund."

"Wen hat er hinuntergeworfen?" fragte der Rotbart spoettisch.

"Eheu!" jammerte der Abt, "bist du es, Liebling meiner Seele, Peregrin,
mein bester Schueler, dessen Knochen in der raetischen Schlucht
bleichen?" Er trocknete sich eine Traene.  Dann schloss er: "Gegen
beides, Fabel und Suende, haelt Bischof Felix in Chur beschwoerend seinen
Krummstab empor."

"In schwachen Haenden", scherzte der Kaiser.

"Er ist sehr schoen gearbeitet", rief Graciosus mit der schallenden
Stimme eines Chorknaben, "und in seiner Kruemmung neigt sich der
Verkuendigungsengel mit der Inschrift: Friede auf Erden und an den
Menschen ein Wohlgefallen."

Karl goennte dem Bischofsneffen einen heitern Blick und wendete sich
gegen die Schule: "Stammt einer von euch aus Raetien?"

Wulfrin trat vor.  "Ich, Herr.  Jung bin ich ausgewandert, doch kenne
ich Sprache und Steige."

"So reite und berichte."

"Dir zu Dienste, Herr", verabschiedete sich Wulfrin, wurde aber von
dem hartnaeckigen Gnadenreich gehalten, der sich seiner bemaechtigte und
ihn vor den Kaiser zurueckbrachte.  "Durchlauchtigster", verklagte er
ihn, "er soll auf Malmort bei der Richterin, seiner Stiefmutter,
erscheinen, keiner andern als die dir den Brief geschrieben hat, und
er will nicht.  Sie besteht darauf, sich vor ihm zu rechtfertigen ueber
das jaehe Sterben ihres Gemahles des Comes Wulf."

"Jener?" besann sich der Kaiser.  "Er hat mir und schon meinem Vater
gedient und verunglueckte im raetischen Gebirge."

"Vor dem Kastell und zu den Fuessen seines Weibes Stemma, die ihm den
Willkomm kredenzt hatte", erinnerte Gnadenreich.

Karl verfiel in ein Nachdenken.  "Eben habe ich fuer die Seele meines
Vaters gebetet", sagte er.  "Kindliche Bande reichen in das Grab.
Mich duenkt, Wulfrin, du darfst bei der Richterin nicht ausbleiben.  Du
bist es deinem Vater schuldig."

Wulfrin schwieg trotzig.  Jetzt griff der Kaiser rechts nach dem
Hifthorn, um die ganze Schule zusammenzurufen und ihr seine Befehle zu
geben.  Es mangelte.  Er hatte es im Palaste vergessen oder
absichtlich zurueckgelassen, um der Messe als ein Friedfertiger
beizuwohnen.  "Deines, Trotzkopf!" gebot er, und Wulfrin hob sich sein
Hifthorn ueber das Haupt.  Karl betrachtete es eine Weile.  "Es ist von
einem Elk", sagte er, hob es an den Mund und stiess darein.  Da gab das
Horn einen so gewaltigen und grauenhaften Ton, dass nicht nur die
Hoeflinge aus allen Ecken und Enden des Kapitols hervorstuerzten,
sondern auch, was sich ringsum von roemischem Volke gehaeuft hatte,
erstaunt und erschreckt die Koepfe reckte, als nahe ein ploetzliches
Gericht.  Karl aber stand wie ein Cherub.

Im Gedraenge des Aufbruchs machte sich der Bischofsneffe noch einmal an
den Hoefling.  "Auf Wiedersehen in Malmort: du gehorchst?"

"Nein", antwortete Wulfrin.




Zweites Kapitel


Innerhalb der dicken Mauern eines wie aus dem Felsen gewachsenen
raetischen Kastells sprudelte ein Quell in kloesterlicher Stille.  Durch
die Zacken bemooster Ahorne rauschte der Abendwind maechtig ueber den
Hof weg, und schon rueckte das Spaetrot hinauf an dem klotzigen Gemaeuer.
Am Brunnen aber stand ein junges Maedchen und liess den heftigen Strahl
in einen Becher springen, aus dessen von Alter geschwaerztem Silber er
schaeumend empor und ihr ueber die blossen Arme spritzte.

"Berg und Wetter sind gut", murmelte sie.  "Mir brannten die Sohlen
von frueh an, ihm entgegen zu rennen.  Kommt er heute noch? oder erst
morgen? oder uebermorgen zum allerspaetesten!  Graciosus verschwor sich,
der Bruder ziehe mit dem Kaiser--nein, er reite ihm weit voraus!  Und
der Kaiser ist nahe, was fluechteten sonst die Lombarden Hals ueber
Kopf?  Bum!" machte sie und ahmte den dumpfen Schlag einer Laue nach,
dem bald ein zweiter und noch der dritte folgte, denn im Gebirge, das
in Gestalt einer breiten blanken Firn ueber die Firste blickte, hatte
es heute in einem fort gerieselt und geschmolzen.

"Die ihr auf weissen Stuerzen in den Abgrund schlittet, seid ihm hold,
baertige Zwerge!  Verberget ihm nicht den Pfad, verschuettet ihm nicht
die Hufen des Rosses!  Sprudle, Flut!  Spuel aus den Hauch des Todes!
Lust und Leben trinke der Bruder!" und sie streckte den schlanken Arm.
Dann hob sie den gebadeten Becher in die Hoehe der Augen und
buchstabierte den Elbenspruch, welchen sie sich deutlicher in das Herz
schrieb, als er mit erblindeten Lettern in das Silber gegraben stand.
Der Spruch aber lautete folgendermassen:

"Gesegnet seiest du!
Leg ab das Schwert und ruh!
Geniesse Heim und Rast
Als Herr und nicht als Gast!
Den Wulfenbecher hier
Dreimal kredenz ich dir!
Erfreue dich am Wein!
Willkomm..."


Hier schloss entweder der zaubertuechtige Spruch oder dann kam noch
etwas gaenzlich Unleserliches, wenn es nicht zufaellige Male der
Verwitterung waren.

Eigentlich wusste sie ihn schon lange auswendig.  Sie sagte ihn
vorwaerts, das ging, rueckwaerts, das ging auch.  Dann sah sie ihn darauf
an--zum wievielten Male!--, ob er ihr mundgerecht sei und von der
Schwester dem Bruder sich sagen lasse, denn Graciosus hatte es erraten:
sie liebkoste den Wunsch, mit dem Wulfenbecher dazustehen und ihn
Wulfrin zu kredenzen.  Ob es die Mutter erlaube?  Diese machte sich
mit dem Becher nichts zu schaffen, sie liess ihn, wo er langeher seinen
Platz hatte.  Der Spruch gefiel dem Maedchen, und es malte sich die
Ankunft.

"Das Horn klingt!  Oder waere es moeglich, dass er mich still beschliche?
mit heimlichen Schritten?  Aber nein, er will ja nichts von mir
wissen--wenn Graciosus nicht seinen Scherz mit mir getrieben hat.  Das
Horn droehnt!  Ich ergreife den Becher, fliege der Mutter voran--oder
noch lieber, sie ist verritten, und ich bin Herrin im Hause--jetzt
naht er! jetzt kommt er!" Ihr Herz pochte.  Sie begann zu zittern und
zu zagen.  "Er ist da! er ist hinter mir!" Sie wendete sich zoegernd
erst, dann ploetzlich gegen das Burgtor.  In der niedern Woelbung
desselben stand kein junger Held, aber lauernd drueckte sich dort ein
armseliger Pickelhering.

Das Maedchen brach in ein enttaeuschtes Gelaechter aus und trat beherzt
der Fratze entgegen.  Es war ein Lombarde, das erriet sie aus den
ziegelroten Nesteln seiner schmutzig-gelben Struempfe.  In die
schreiendsten Farben gekleidet, wie sie Armut und Zufall
zusammenwuerfeln, trug der Kleine einen langausgedrehten pechschwarzen
Spitzbart, der mit den gezackten Brauen und dem verzerrten Gesichte
eine possierliche Maske schuf.

"Wer bist du, und was willst du?" fragte das Maedchen.

"Nur nicht gerufen, kleine Herrin oder vielmehr grosse Herrin, denn,
bei meiner katholischen Seele! du hast die Mutter dreimal handbreit
ueberwachsen.  Wo ist sie?" Er schaute sich aengstlich um.  Sein Blick
fiel auf etwas Graues.  In der Mitte des Hofes und im Schatten der
Ahorne stand ein breiter Steinsarg, auf dessen Platte ein gewappneter
Mann neben einem Weibe lag, das die Haende ueber der Brust faltete.  "Ei,
da haelt ja unsere liebe Frau neben ihrem Alten stille Andacht",
spasste der Lombarde, "und truebt kein Waesserchen, waehrend sie zugleich
in ihrer gruenen Kraft bergauf bergab reitet und haengen und koepfen
laesst." Er blickte bedenklich zu dem praechtig gebildeten
leuchterfoermigen Ast eines Ahorns empor.  "Hier wuerde ich ungerne
prangen", sagte er. "In Kuerze: ich bin Rachis der Goldschmied und habe
ein Geschaeftchen mir dir.  Liebst du deinen Bruder, junge Herrin?"

Diese ploetzliche Frage setzte das Maedchen kaum in Erstaunen, das sich
heute und gestern mit nichts anderem als nur mit diesem selben
Gegenstande beschaeftigt hatte.  "Wie mein Leben", sagte sie.

"Das ist schoen von dir, aber wenig fehlt, so liebst du einen Toten.
Wulfrin der Hoefling ist in unsere Gewalt geraten."

"Er lebt?" schrie das Maedchen angstvoll.

"Zur Not.  Herzog Witigis zielt auf sein Herz--aber wird uns die
Richterin nicht ueberraschen?"

"Nein, nein, sie ist nach Chur verritten.  Rede! schnell!"

"Nun, ich habe ein feines Ohr und weiss auch ein Loch in der Mauer,
denn ich bin hier nicht unbekannter als der Marder im Huehnerhof.  Also:
dein Bruder ist in einen Hinterhalt gefallen.  Er schlug um sich wie
ein Rasender, und unser Sechse wichen vor ihm, die einen verwundet,
die andern, um es nicht zu werden.  Doch sein Pferd rollte in den
Abgrund, und er selbst verirrte sich auf eine leere Felsplatte, wo wir
ein Treiben auf ihn anstellten und ihm hinterruecks ein langes Jagdnetz
ueber den Kopf warfen.  Denn der Herzog wollte ihn lebendig fangen, um
ihn ueber die Wege des Franken, unsers Verderbers, auszufragen.  Der
Trotzkopf aber verschwieg alles, auch den eigenen Namen.  Da legte der
Herzog den Pfeil auf den Bogen und"--Rachis tat einen grausamen Pfiff.

"Du luegst! er lebt!" rief das Maedchen mutig.

"Vorlaeufig.  Der Herzog drueckte nicht ab, denn--jetzt wird die
Geschichte lustig--das junge Weib eines der Unsrigen, eine
freigegebene Eigene der Richterin, wenig aelter als du"--

"Mein Gespiel Brunetta, das Kind Faustinens"--

"Gerade diese sprang dazwischen.  'Bei der durchloecherten Seite
Gottes', heulte sie, 'der arme Herr traegt das Wulfenhorn und ist kein
anderer als der Sohn des Comes, der im Steinbild auf Malmort liegt.
Seine leibliche Schwester, Herrin Palma, hat mir von ihm erzaehlt, von
klein an und in einem fort ohne Aufhoeren.  Du darfst nicht sterben',
wendete sie sich an den Gebundenen, 'das waere ihr ein grosses Leid und
toetete ihr das Herzchen.  Denn wisse, du bist ihr Herzkaefer,
wenngleich sie dich noch nie mit Augen gesehen hat.  Sende hin, und
sie loest dich mit ihrem ganzen Geschmeide.  Es sind koestliche Sachen.
All ihr Kleinod hat die Richterin dem Kinde, sobald es seinen Wuchs
hatte, gespendet und dahingegeben.'"

"So erfuhr Herzog Witigis den Namen seines Gefangenen und die blonde
Rosmunde, die er um sich hat, das Dasein eines herrlichen Schatzes.
Sie umhalste den Herzog und erflehte sich das Geschmeide von Malmort.
Ihr Stirnband habe seine Perlen und ihr elfenbeinerner Kamm die Haelfte
seiner Zaehne verloren.  Kurz, Goldschmied Rachis wurde an dich
geschickt und bietet dir den Tausch.  Waehle: Schmuck oder Bruder!"

Ehe noch der Lombarde geendigt hatte, stuerzte das Maedchen gegen die
Burg, die steile Treppe hinauf, verschwand in der Pforte und kam
atemlos wieder, Schimmerndes und Klingendes in dem zur Schuerze
gefassten hellen Oberkleide tragend.  Dieses hielt sie mit der Linken,
waehrend die Rechte Stueck um Stueck wie aus einem Horte emporhob und den
gekruemmten Fingern des Goldschmieds ueberantwortete.  Spangen,
Stirnbaender, Guertel, Perlschnuere verschwanden in dem Sacke, welchen
Rachis geoeffnet hatte, auch fuer die blonden Flechten Rosmundens ein
kunstvoller Kamm von Elfenbein mit dem Heiland und den Aposteln in
erhabener Arbeit.  Jedes durch seine Haende wandernde Stueck begleitete
der Goldschmied mit dem Lobe des Kenners, nicht ohne ein bisschen
Bosheit, die dem begeisterten Maedchen seine Verluste fuehlbar machen
wollte.  Sie zuckte nicht einmal mit dem Mund, sie leuchtete vor
Freude bei der Hingabe alles ihres Besitzes.

Da kam ihr denn doch ein Zweifel.  "Du bist redlich?" sagte sie.  "Du
schickst mir den Bruder?  Es ist besser, ich begleite dich!" und sie
machte sich wegfertig.

"Unmoeglich, Herrin", widersprach der Lombarde, "das geht nicht!  Du
entdecktest unsere Schlupfwinkel und gefaehrdetest mit dem Leben des
Bruders auch das deinige.  Die Richterin aber wuerde dich von uns
geraubt glauben.  Sei nicht unklug, und gib dich nicht in fremde
Gewalt!" Er belud sich mit dem Sacke.  "Ein Schlummerchen, Fraeulein!
und wenn du die Augen wieder oeffnest, hast du den Bruder, der dich
Gold und Gut kostet.  Das schwoere ich dir!" Er senkte die drei Finger
mit einem grimmigen Blicke gegen den Erdboden.  "Bei dem da unten!"
gelobte er.

"Ein glaubhafter Schwur!" sprach eine weibliche Stimme.  Rachis
wendete sich erschrocken und bog das Knie vor einer behelmten Frau mit
strengen Zuegen, die den Speer, den sie in der Hand getragen, einem
bewaffneten Knechte reichte.  Die Richterin mochte aus Schonung fuer
ihr ermuedetes Tier den steilen Burgweg zu Fuss erklommen haben.  Sie
fasste Palma schuetzend am Arm und blickte geringschaetzig auf den
Lombarden.  "Schwuerest du bei Gott und seinen Heiligen", sagte sie,
"so schwuerest du falsch; eher schwoerst du die Wahrheit bei dem Vater
der Luegen.  Habet ihr euch nicht bei allem Goettlichen verpflichtet,
ihr Lombarden, nie mehr in Raetien zu rauben und zu brennen?  Und jetzt,
da ihr, wie alles Boese, vor den Augen des Kaisers fluechtet,
schleudert ihr rechts und links verheerende Flammen!  Ich komme von
Chur und weiss um eure Taten, Eidbruechige!  Sage du deinem Witigis, die
Richterin wuerde ihm nachjagen und ihn zuechtigen, wenn nicht ein
Hoeherer kaeme, und er ist schon da, dessen Hand ihn erreicht, floehe er
an die Enden der Erde!" Jetzt fielen ihre Augen auf den Sack des
Goldschmieds.  "Was traegst du da weg, Dieb?" fragte sie veraechtlich.

"Ein ehrlicher Handel", beteuerte dieser und oeffnete den Sack, waehrend
das Maedchen die Mutter stuermisch umarmte.  "Ich kaufe den Bruder!"
rief sie.  "Er ist in die Gewalt des Witigis geraten, der auf ihn
zielt, bis ich der Frau Herzogin"--das unschuldige Kind erhob die
blonde Rosmunde in den Ehestand--"meinen Schmuck gegeben habe, und wie
gerne gebe ich ihn!"

Die Richterin machte sich von ihr los und fragte Rachis: "Ist das
wahr?"

"Bei meinem Halse, Herrin!"

"Ich wuerde dir nicht glauben, wuesste ich nicht, dass der Hoefling Wulfrin
dem Kaiser voranreitet, und haette ich nicht selbst eben jetzt in Chur
gehoert, dass die Lombarden einen Hoefling gefangen haben.  Dennoch kann
es eine Luege sein, denn es ist kaum glaublich, dass ein Tischgenosse
Karls dem Feinde seinen Namen nennt und zu einem Maedchen um Loesung
sendet."

"Nein, nein, Mutter, so war es nicht!" rief Palma und erzaehlte den
Vorgang.

"Ein eitles Weib, dem ein Leben feil ist fuer einen Schmuck, das hat
mehr Sinn", meinte die Richterin.  Sie schien zu ueberlegen.  Dann warf
sie einen Blick auf das Geschmeide.  "Ich will den Hoefling mit
Byzantinern loesen", sagte sie.

"Das steht nicht in meinem Auftrag und wuerde der Rosmunde schlecht
gefallen."

"Dann tue ich es nicht."

"Auch gut", grinste Rachis.  "So laessest du eben den Wulfrin umkommen.
Du magst deine Gruende haben.  Ganz wie du willst."

"Das willst du nicht, Mutter!" jammerte Palma und stuerzte auf die Knie.

"Nein, das will ich nicht", sprach die Richterin mit nachdenklichen
Brauen.  "Warum auch?  Nimm das Zeug!" und Rachis war weg.

Das jubelnde Maedchen fiel der Mutter um den Hals und bedeckte den
strengen Mund mit dankbaren Kuessen.  Dann raubte sie ihr den
kriegerischen Helm so ungestuem, dass die Flechten des schwarzen Haares
sich loesten und niederrollend dem entschlossenen Haupte der Richterin
einen jugendlichen und leidenden Ausdruck gaben.  Die nicht enden
wollende Freude Palmas ermuedete endlich die Richterin.  "Geh schlafen,
Kind", sagte sie, "es dunkelt."

"Schlafen?  Wer koennte das, bis Wulfrin ruft?"

"So wirf dich, wie du bist, auf das Polster.  Was gilt's, ich finde
dich schlummern?  Zu Bette, Huehnchen! husch! husch!" und sie klatschte
in die Haende.

Palma flog die Stiege hinauf, und die Richterin wendete sich zu Rudio,
ihrem Kastellan, der schon eine Weile ruhig harrend vor ihr stand.
"Was meldest du?" fragte sie.

"Eine Albernheit, Herrin.  Ich sah die Tuer zu unserm Kerker
sperrangelweit offen.  Freilich hatte ich sie nicht verriegelt, da
gerade niemand sitzt.  Ich steige hinab, und auf dem Stroh liegt ein
Geschoepf, das ich in der letzten Helle mir nur muehsam entraetsle.  Es
war die Faustine, welche, wie du dich erinnerst, mit deiner Erlaubnis
ihr Kind, die Brunetta, einem Lombarden, einem leidlichen Manne, den
du auf mein Fuerwort unter deinem Gesinde duldetest, zum Weibe gegeben
hat.  Jetzt, da das fremde Volk wandert, hat auch ihr Kind sein Buendel
geschnuert, und das muss sie irre gemacht haben.  Sie hat sich eine Hand
in den Kettenring gezwaengt und ist uebrigens guten Mutes.  'Meister
Rudio', redete sie zu mir, 'wetze dein Beil am Schleifstein und tue
mir morgen nicht weher, als recht ist.'  Ich schelte sie und will ihr
den Arm aus der Fessel ziehen.  'Welche Posse!' sage ich, 'du bist ja
die ehrliche Armut am Rocken und im Ruebenfeld, die ihr Kind
rechtschaffen grossgezogen hat.  Hier ist nicht dein Ort.  Mit
deinesgleichen habe ich nichts zu tun.'  Sie sperrte sich und sagte:
'Das weisst du nicht, Rudio.  Geh und rufe die Richterin.  Die wird das
Garn schon abwickeln und mir armem Weibe geben, was mir gehoert.'
Sollte ich die Toerin zerren?  Du steigst wohl hinab und bringst sie
zurecht."

Die Richterin hiess Rudio eine Fackel anbrennen und ihr vorschreiten.
In dem tiefen Gelasse sass ein gefesseltes Weib, das der Kastellan
beleuchtete.  Auf einen Wink der Herrin steckte er den brennenden Span
in den Eisenring und liess die Frauen allein.

Stemma beugte sich ueber die freiwillig Eingekerkerte und befuehlte ihr
als geschickte Aerztin den Puls der freien Hand, welchen aber kein
Fieber beschleunigte.  "Faustine", sagte sie, "was ficht dich an?  Was
ist ueber dich gekommen?  Dich verwirrt der Schmerz, dass du dich von
deinem Kinde trennen musstest.  Willst du ihr folgen?  Noch ist es Zeit.
Ich gebe dich frei.  Du bist nicht laenger meine Eigene.  Der Kaiser
wird den Lombarden feste Sitze weisen, und du behaeltst deine Brunetta."

Faustine schuettelte das Haupt.  "Das fehlte noch", sagte sie, "dass ich
mich an die Sohlen der Brunetta heftete und auch ihr zum Fluche wuerde!
Richterin Stemma, nimm mir das ab!" Sie wies auf ihren Kopf.  "Du
weisst ja wohl und langeher, dass ich meinen Mann ermordete."

Mit ruhigem Blicke pruefte Stemma das grellbeleuchtete knochige Gesicht
der gleichaltrigen Raeterin.  Dann liess sie sich auf eine Treppenstufe
nieder, und Faustine kroch zu ihren Knien, ohne diese zu beruehren.
Ihre Augen waren gesund.  "Herrin", sagte sie, "du weisst alles, und
wenn du mich ein Jahrzehnt und laenger gnaedig verschont und meine
Missetat bedeckt hast, so war es, weil du nicht wolltest, dass die
Brunetta, der unschuldige Wurm, zuschanden komme.  Ich durfte sie
aufziehen, und diese Gunst hast du mir erwiesen, weil ich dein Gespiel
gewesen bin.  Jetzt aber, da die Brunetta einem Manne folgt, ist kein
Grund, laenger zu troedeln und zu taendeln.  Lass uns die Sache ins reine
bringen.  Gib mir mein Urteil!"

Die Richterin erkannte aus der ganzen Gebaerde Faustinens, dass diese
bei Sinnen sei, und sosehr sie das schlimme Gestaendnis ueberraschte, so
wenig gab sie den furchtbaren Ruf ihrer Allwissenheit preis.  "Lege
Bekenntnis ab", sagte sie streng.  "Das ist der Anfang der Reue." Und
Faustine begann: "Kurz ist die Geschichte.  Der Schuetze Stenio umwarb
mich"--

"Den der Eber, welchen er gefehlt hatte, schleifte und zerriss"--

"Jener.  Hernach gab mich der Judex seinem Reisigen Lupulus zur Ehe.
Ich bequemte mich und doch"--sie hielt inne, um das reine Ohr Stemmas
nicht zu beleidigen.  Die Richterin half ihr und sagte ernst und
traurig: "Und doch warest du das Weib des Toten."

Faustine nickte.  "Dann, vor dem Altar, ploetzlich, zu meinem
Entsetzen"--

"Fuehltest du, dass du dem Toten gehoertest, du und ein Ungebornes", half
ihr die Richterin.

Wieder nickte Faustine.  "Das ist alles, Herrin", sagte sie.  "Lupulus,
jaehzornig wie er war, haette mich umgebracht.  Das Ungeborne aber
verhielt mir den Mund und fluesterte mir Feindseliges gegen den Mann zu."

"Genug", schloss Stemma.  "Nur eines noch: woher hattest du das Gift?"

"Siehst du, Herrin", rief das Weib, dass du weisst, wie ich ihn toetete!
Das Gift hat mir Peregrin gezeigt."

"Peregrin?" fragte die Richterin mit verhuellter Stimme.  "Das ist
nicht moeglich", sagte sie.

"Er zeigte es mir und warnte mich davor.  Ich irrte verzweifelnd unter
den Kiefern von Silvretta.  Da sehe ich ihn in seinem langen, dunkeln
Gewande, der sich bueckt und Wurzeln graebt.  Blumen nickten mit braunen
Glocken.  Er ruft mich herbei, und, eine dieser Blumen in der Hand,
sagt er zu mir: 'Frau, huete dich und die Kinder vor diesem Gewaechs!
Sein Saft toetet, ausser in den Haenden des Arztes.'  Er meinte es gut mit
seinem warnenden Blick unter dem braunen Gelocke hervor und hauchte
mir doch einen grimmig boesen Gedanken an.  Keine Schuld komme auf
seine Seele!  Doch ich rede toericht.  Er ist ja laengst ein Engel
Gottes, seit er nach der grossen Ebene wandernd im Gebirge unterging,
wie sie sagen, und das war nicht lange nach jener Stunde.  Du
erinnerst dich noch, der Judex dein Vater, dem er die Wunde heilte,
hatte ihn abgelohnt, was dir unlieb war, da er dich als ein weiser
Kleriker noch vieles haette lehren koennen."

"Schwatze nicht", gebot die Richterin, "und endige dein Bekenntnis.
Am folgenden Tage bist du aus deiner Huette nach Silvretta gegangen und
hast die Wurzeln gegraben?"

"Ja.  Du rittest vorueber, und ich duckte mich, damit du mich nicht
erkennen moechtest, aber du wendetest dich zweimal im Sattel.  Und nun
sei barmherzig, Herrin, und gib mir mein Teil." Sie liess den Kopf auf
die Brust fallen, so dass ihr der ueppige schwarze Haarwuchs ueber das
Gesicht sank.

Stemma sann, auf Faustinen niederblickend, und zog ihr mit zerstreuten
Fingern einen langen Strohhalm aus dem Haar.  "Faustine, mein Gespiel",
sagte sie endlich, "ich kann dich nicht richten."

Die ganze Faustine geriet in Aufruhr.  "Warum nicht?" schrie sie
empoert, "du musst es, oder ich schreie, dass alle Mauern toenen: Sie hat
ihren Mann umgebracht!"

Stemma verhielt ihr den Mund.  "Lass das Totengebein!" schalt sie, als
drohe sie einem den verscharrten Knochen hervorkratzenden Hunde.

"Sei barmherzig!" flehte Faustine, "lass mir das Haupt abschlagen,
nachdem es Gott gekostet und sein Kreuz gekuesst hat.  Dann waechst es
mir im Himmel wieder an und, Stenio rechts, Lupulus links, sitzen wir
auf einer Bank und geben uns die Haende.  Danach verlangt mich", und
sie streckte den Hals.

"Ich kann dich nicht richten, Toerin", sagte Stemma sanfter.  "Aus drei
Gruenden nicht.  Merk auf!"

Als du deine Tat begingest, lebte und regierte noch der Judex mein
Vater.  Nach seinem Ende und dem des Comes, da ich das Richtschwert
erbte, habe ich laut verkuendigt: 'Ab ist alles Geschehene!  Von nun an
suendige keiner mehr!'  Aber auch wenn ich dieses nicht haette ausrufen
lassen, koennte ich dennoch dich nicht richten, und du gingest frei aus,
denn seit deiner Tat sind fuenfzehn voellige Jahre in das Land gegangen,
und hier ist uralter Brauch, dass Schuld verjaehrt in fuenfzehn Jahren."

"Verjaehrt? was ist das?" fragte Faustine verbluefft.

"Durch die Wirkung der Zeit ihre Kraft verliert."

Ein hoehnisches Lachen lief blitzend ueber die weissen Zaehne der Raeterin.
"Also zum Beispiel", sagte sie, "wenn ich gestern noch meinen Mann
vergiftet hatte und ueber Nacht wird die Zeit voellig, so bin ich heute
keine Moerderin mehr.  Diese Dummheit!"

"Doch, du bleibst eine Moerderin", belehrte sie Stemma langmuetig, "aber
du hast mit dem irdischen Richter nichts mehr zu schaffen, sondern nur
noch mit dem himmlischen.  Suehne durch gute Werke!  Du hast den Anfang
gemacht: fuenfzehn muehselige und rechtschaffene Jahre wiegen."

"Nichts wiegen sie!" zuernte Faustine.  "Ich sehe schon, du willst
meiner schonen!  Du heissest die Richterin, aber du bist die Ungerechte,
du machst Ausnahmen, du siehst die Person an!"

"Schweige!" befahl die Richterin.  "Ich bin denn doch klueger als du,
und ich sage dir: deine Sache ist nicht mehr richtbar.  Noch aus einem
letzten Grunde.  Ich kann dich nicht verdammen, auch wenn ich dir den
Gefallen tun wollte, denn es steht kein Zeuge gegen dich als deine
toerichte Zunge.  Aber weisst du was: gehe nach Chur und beichte dem
Bischof.  Er ist der Hirte, und du bist das Schaeflein.  Er mag dir die
haerteste Busse auflegen: Fasten, schwere Dienste, haerenes Hemde,
blutige Geisselungen.  Fordere sie, ist er dir zu milde!  Dann aber gib
dich zufrieden!  Unterwirf dich ganz der Kirche: sie vertritt dich,
und du hast eine sichere Sache!" Sie sagte das mit einem ueberzeugenden
Laecheln.

"Ich weiss nicht", schluchzte Faustine, "Gott sei davor, dass eine
Missetaeterin wie ich seiner heiligen Kirche nicht gehorche.  Aber
anders waere es einfacher gewesen.  Geplagt habe ich mich schon und im
Schweisse meines Angesichtes zerarbeitet fuenfzehn Jahre lang mit dem
Trost und Vorsatz, sobald mein Kind in sein Alter und an den Mann
gekommen, stracks in den Himmel zu fahren.  Jetzt verrueckst du mir die
kurze Leiter und vertrittst mir den Weg."

"Der nach Chur ist kurz, und der an unser Ende ist nicht lang.
Gehorche, Faustine!" Sie ergriff die Fackel und schritt die Stufen
vorauf.  Faustine folgte wie eine Seele in Pein.

Unter dem Burgtor, das sich wie von selbst oeffnete, denn der Waertel
hatte die wandernde Helle wahrgenommen, blickte die Richterin in die
Nacht hinaus und sagte zu Faustinen: "Lege die Schuhe ab und lass die
scharfen Kiesel deine Sohlen zerreissen, denn du bist eine grosse
Suenderin!" Weinend trat Faustine ihren dunkeln Weg an.



Frau Stemma hatte recht gesagt.  Da sie die hochgelegene Burgkammer
betrat, schlief Palma.  Neben ihren tiefen Atemzuegen glomm auf einem
Dreifuss eine huetende Flamme.  Das Maedchen lag in ihrem ganzen Gewande
auf dem Polster, die Hand ueber das Herz gelegt.  Sie hatte das freudig
pochende beruhigen wollen und war daran entschlummert.  Die Mutter
betrachtete die Gebaerde und konnte sich der Erinnerung nicht erwehren.

Nach dem Tode des Vaters und des Gatten und nach der Geburt Palmas
hatte die noch nicht zwanzigjaehrige Richterin die Regierung ihres
Erbes mit entschlossener Hand ergriffen.  Die dem jungen und schoenen
Weibe unter einem verwilderten, begehrlichen Adel von selbst
entstehenden Freier und Feinde hatte sie mit einer ueber ihre Jahre
scharfsinnigen Politik veruneint und der Reihe nach mit den Waffen
ihrer Lehensleute gebaendigt.  Helm und Schwert und die gerechte Sache
der mutigen Richterin wurden von dem friedseligen Bischof Felix in
seinem festen Hofe Chur mit weit ausgestreckten Haenden gesegnet.  Nach
einigen stuermischen Jahren war Stemmas Herrschaft befestigt, und es
trat eine grosse Stille ein.  Jetzt raechte sich die ueberhetzte Natur,
und Stemma verlor den Schlummer.  Wenn sie nicht selbst ihn
verscheuchte mit brennenden Leuchtern und endlosen Schritten.  Nicht
weit von dem Lager ihres Kindes, auf einer schmalen Bank in der tiefen
Fensterwoelbung sass sie damals oft mit verschlungenen Armen, oder dann
konnte sie lange, lange mit zwei Flaeschchen spielen, welche sie in der
Mauer verwahrte und die der arzneikundige junge Kleriker Peregrin auf
Malmort zurueckgelassen hatte, da er von dannen zog, um spurlos im
Gebirge zu verschwinden.  Beide waren von starkem Kristall und hatten
ueber den glaesernen Zapfen goldene Deckel, auf deren einem das Wort
"Antidoton" mit griechischen Lettern eingekritzt war, waehrend auf dem
andern ein winziges Schlaenglein sich kruemmte.  Mit diesen Flaeschchen
zu spielen, bis der Tag anbrach, wurde Stemma zu einem Beduerfnis.  Da
geschah es einmal, dass sie darueber einnickte und, als das Fruehlicht
sie weckte, das eine Flaeschchen, das unbeschriebene, aus ihrer
halbgeoeffneten Hand verschwunden war.  Sie geriet in entsetzliche
Angst und suchte und suchte.  Endlich fand sie es in dem Haendchen
ihres Kindes.  Die kleine Palma mochte, vor ihr erwacht, sie auf
nackten Sohlen beschlichen, ihr das schmucke Spielzeug entwendet und
mit ihm das Lager und den Schlummer wieder gefunden haben.  Das Kind
hielt den Kristall an das kleine Herz gepresst und vorsichtig loeste
Frau Stemma Fingerchen um Fingerchen.

Jetzt holte sie, verlockt von der fruehern Gewohnheit, die lange im
Verschluss gelegenen Kristalle hervor.  Nachdem sie dieselben eine
Weile in den Haenden gehalten und mit den Flaeschchen, sie unablaessig
wechselnd, nach ihrer alten Weise gespielt hatte, legte sie das eine
unter ihren mit Gemsleder beschuhten Fuss und zertrat es auf der
steinernen Fliese mit einem kraeftigen Drucke zu Scherben.  Die
ausstroemende Fluessigkeit verbreitete einen angenehmen Mandelgeruch.
Im Begriffe, den zweiten Kristall unter die Sohle zu legen, besah sie
noch seinen goldenen Deckel und erkannte, dass sie sich zwischen den
Flaeschchen geirrt hatte.  Sie glaubte das inschriftlose zuerst
zermalmt zu haben und hielt es noch in der Hand.  Kopfschuettelnd legte
sie das Schlaenglein unter die Ferse, doch das festere Glas widerstand
hartnaeckig.  Sie ergriff es wieder, und schon hob sie den Arm, um es
an der Wand zu zerschmettern, da hielt sie inne, aus Furcht, mit dem
klirrenden Wurfe den Schlummer des Maedchens zu stoeren.  Oder mit einem
andern Gedanken barg sie es sorgfaeltig in dem weiten Busen ihres
Gewandes.

Frau Stemma wurden die Lider schwer, und sie liess sich betaeubt in
einen Sessel fallen.  Da sah sie ein Ding hinter ihrem Stuhle
hervorkommen, das langsam dem Lager ihres schlummernden Kindes
zustrebte.  Es floss wie ein duenner Nebel, durch welchen die
Gegenstaende der Kammer sichtbar blieben, waehrend das bluehende Maedchen
in fester Bildung und mit kraeftig atmendem Leibe dalag.  Die
Erscheinung war die eines Juenglings, dem Gewande nach eines Klerikers,
mit vorhangenden Locken.  Das ungewisse Wesen rutschte auf den Knien
oder watete, dem Steinboden zutrotz, in einem Flusse.  Stemma
betrachtete es ohne Grauen und liess es gewaehren, bis es die Haelfte des
Weges zurueckgelegt hatte.  Dann sagte sie freundlich: "Du, Peregrin!
Du bist lange weggeblieben.  Ich dachte, du haettest Ruhe gefunden."
Ohne den Kopf zu wenden und sich wieder um einen Ruck vorwaerts
bringend, antwortete der Muede: "Ich danke dir, dass du mich leidest.
Es ist ohnehin das letzte Mal.  Ich werde zunichte.  Aber noch zieht
es mich zu meinem trauten Kindchen."

"Seid ihr Toten denn nicht gestorben?" fragte die Richterin.

"Wir sterben sachte, sachte," antwortete der Kleriker.  "Wie denkst du?
Die"--er stotterte--"die Seele wird damit nicht frueher fertig als der
Leib vermodert ist.  Inzwischen habe ich mir diesen aermlichen Mantel
geliehen." Der Schatten schuettelte seine Gestalt wie einen rinnenden
Regen.  "Ei, was war der irdische Leib fuer ein heftiges und lustiges
Feuer!  In diesem duennen Roecklein friert mich, und ich lasse es gerne
fallen."

"Hernach?" fragte Stemma.

"Hernach?  Hernach, nach der Schrift"--

Stemma runzelte die Stirn.  "Zurueck von dem Kinde!" gebot sie dem
Schatten, der Palma fast erreicht hatte.

"Harte!" stoehnte dieser und wendete das bekuemmerte Haupt.  Dann aber,
von dem warmen Atem Stemmas angezogen, schleppte er sich rascher gegen
ihre Knie, auf welche er die Ellbogen stuetzte, ohne dass sie nur die
leiseste Beruehrung empfunden haette.  Dennoch belebte sich der Schatten,
die schoene Stirn woelbte sich, und ein sanftes Blau quoll in dem
gehobenen Auge.

"Woher kommst du, Peregrin?" sagte die Richterin.

"Vom traegen Schilf und von der unbewegten Flut.  Wir kauern am Ufer.
Denke dir, Liebchen, neben welchem Nachbar ich zeither sitze, neben
dem"--er suchte.

"Neben dem Comes Wulf?" fragte die Richterin neugierig.

"Gerade.  Kein kurzweiliger Gesell.  Er lehnt an seinen Spiess und
brummt etwas, immer dasselbe, und kann nicht darueber wegkommen.  Ob du
ihm ein Leid antatest oder nicht.  Ich bin maeuschenstille"--Peregrin
kicherte, tat dann aber einen schweren Seufzer.  Darauf schnueffelte er,
als rieche er den verschuetteten Saft, und suchte mit starrem Blicke
unter Stemmas Gewand, wo das andere Flaeschchen lag, so dass diese
schnell den Busen mit der Hand bedeckte.

Da fuehlte sie eine unbaendige Lust, das kraftlose Wesen zu ihren Fuessen
zu ueberwaeltigen.  "Peregrin", sagte sie, "du machst dir etwas vor, du
hast dir etwas zusammengefabelt.  Palma geht dich nichts an, du hast
keinen Teil an ihr."

Der Kleriker laechelte.

"Du bildest dir etwas Naerrisches ein", spottete die Richterin.

"Stemma, ich lasse mir mein Kindchen nicht ausreden."

"Torheit!  Wie waere solches moeglich?  Was weisst du, Traum?"

"Ich weiss"--der fluechtig Beseelte schien eine Suessigkeit zu empfinden,
in sein kurzes und grausames Los zurueckzukehren--"wie mich dein Vater
ueberfiel, da ich von meinem Lehrer dem Abte weg ueber das Gebirge zog.
Der Judex litt an einer Wunde und hatte von meiner Wissenschaft
vernommen.  Da hob er mich auf und brachte mich dir mit.  Du warest
noch sehr jung und o wie schoen! mit grausamen schwarzen Augen!  Dabei
herzlich unwissend.  Ich lehrte dich Buchstaben und Verse bilden, doch
diese da mochtest du nicht.  Lieber regiertest du in den Doerfern,
schiedest Haendel und machtest die Aerztin bei deinen Eigenen.  Ich
zeigte dir die Kraefte der Kraeuter, lehrte dich allerlei brauen, und du
brachtest mir aus dem Schmuckkaestchen zwei Kristalle"--

Die Richterin lauschte.

"Stemma, du bist noch jung, und auch ich bin jung geblieben, wenig
aelter, als da wir uns liebten", schluchzte Peregrin zaertlich.

"Wir liebten uns", sagte Stemma.

"Du lagest in meinen Armen!"

"Wo dich der Judex ueberraschte und erwuergte", sprach sie hart.
Peregrin aechzte, und Flecken wurden an seinem Halse sichtbar.  "Er lud
mich auf ein Maultier, zog mit mir davon und warf mich in den Abgrund."

"Peregrin, ich habe geweint!  Aber besinne dich: dein ist die Schuld!
Bin ich nicht dreimal vor dich getreten, mein Buendel in der Hand?
Habe ich dich nicht drohend beschworen, mit mir zu fliehen?  Wer
wollte Fuss neben Fuss in Armut und Elend wandern?  Du aber erblasstest
und erbleichtest, denn du hast ein feiges Herz.  Ich liebte dich, und,
bei meinem Leben!--warest du ein Mann--Vater, Heimat, alles haette ich
niedergetreten und waere dein eigen geworden."

"Du wurdest es", fluesterte der Schatten.

"Niemals!" sagte Stemma.  "Sieh mich an: gleiche ich einer Suenderin?
Blicke ich wie eine Leidenschaftliche und Leichtfertige?  Bin ich
nicht die Zucht und die Tugend?  Und so war ich immer.  Du hast mich
nicht beruehrt, kaum dass du mir mit furchtsamen Kuessen den Mund
streiftest.  Wo haettest du auch den Mut hergenommen?"

Da geriet der Schatten in Unruhe.  "O ihr Gewalttaetigen beide, der
Vater und du!  Er hat mich geraubt und erwuergt, du, Stemma, locktest
mit dem Blutstropfen!  Gib den Finger, da sitzt das Naerbchen!"

Stemma hob die Achseln.  "Es war einmal", hoehnte sie.

Da wiegte Peregrinus, der sich gleich wieder besaenftigte, die Locken
und sang mit gedaempfter Stimme:

"Es war einmal, es war einmal
Ein Fuerst mit seinem Kinde,
Es war einmal ein junger Pfaff
In ihrem Burggesinde."

Am Mahle sassen alle drei,
Da riefen den Herrn die Leute:
"Herr Judex, auf! Zu Ross! Zu Ross!
Im Tal zieht eine Beute!"

Er guertet sich das breite Schwert
Und wirft mit einem Gelaechter
Den Hausdolch zwischen Maid und Pfaff
Als einen scharfen Waechter.

Den Judex hat das schnelle Ross
Im Sturm davongetragen,
Zweie halten still und bang
Die Augen niedergeschlagen.

Stemma hebt das Fingerlein,
Sie tut es ihm zuleide,
Und faehrt damit wohl auf und ab
Ueber die blanke Schneide.

"Ein Troepflein warmen Blutes quoll"--


"Stille, Schwaechling!" zuernte die Richterin. "Das hast du dir in
deinem Schlupfwinkel zusammengetraeumt.  Solche Schmach kennt die Sonne
nicht!  Stemma ist makellos!  Und auch der Comes, er komme nur! ihm
will ich Rede stehen!"

"Stemma, Stemma!" flehte Peregrin.

"Hinweg, du Nichts!" Sie entzog sich ihm mit einer starken Gebaerde,
und seine Zuege begannen zu schwimmen.

"Mein Weib, mein"--"Leben" wollte er sagen, doch das Wort war dem
Ohnmaechtigen entschwunden.  "Hilf, Stemma", hauchte er, "Wie heisst es,
das Atmende, Bluehende?  Hilf!" Die Richterin presste die Lippen, und
Peregrinus zerfloss.

Erwacht stand sie vor dem Lager ihres Kindes.  Sie kuesste ihm die
geschlossenen Augen.  "Bleibet unwissend!" murmelte sie.  Dann glitt
sie neben Palma auf das breite Lager und schlang den Arm um das
Maedchen, wie um eine erkaempfte Beute: "Du bist mein Eigentum!  Ich
teile dich nicht mit dem verschollenen Knaben!  Dich siedle ich an im
Licht und umschleiche dich wie eine huetende Loewin!" Der Traum hatte
ihr Peregrin gezeigt nicht anders, als sein Bild in ihr zu leben
aufgehoert hatte.  Laengst war der Juengling, dem sie sich aus Trotz und
Auflehnung mehr noch als aus Liebe heimlich vermaehlt, an ihrem
kasteiten Herzen niedergeglitten und untergegangen, und der einst aus
ihrer Fingerbeere gespritzte Blutstropfen erschien der Gelaeuterten als
ein lockeres und aberwitziges Maerchen.  Schon glaublicher deuchte ihr
der andere Bewohner der Unterwelt, und da sie sich auf dem Lager
umwendete und das Haupt in die Kissen begrub, ohne den Arm von der
Schulter ihres Kindes zu loesen, erblickte die Entschlummernde den
Comes, wie er an den Speer gelehnt verdriesslich im Schilfe sass und
etwas Feindseliges in den Bart murmelte.  Ein Laecheln des Hohnes glitt
ueber ihr verdunkeltes Gesicht, denn Stemma kannte die Hilflosigkeit
der Abgeschiedenen.

Im ersten Lichte weckte die zwei Schlafenden ein jaeher Hornstoss und
riss sie vom Lager empor.  Der gewaltsame Tagruf beleidigte das feine
Ohr der Richterin.  Sie erriet, wen er meldete, und mit schnellem
Entschluss und festem Schritte ging sie Wulfrin entgegen.  Noch vor ihr,
den rasch ergriffenen Wulfenbecher in der Hand, war Palma durch die
Tuer gehuscht.

In das von Rudio geoeffnete Tor tretend, stand Stemma vor dem Hoefling,
der sie mit verwunderten Augen betrachtete.  Das Antlitz gebot ihm
Ehrfurcht.  Er verschluckte ein unziemliches Scherzwort ueber sein
durch vier Weiber gerettetes Leben.  Bewaeltigt von dem ruhig pruefenden
Blicke und der Hoheit der blassen Zuege sagte er nur: "Hier hast du
mich, Frau", worauf sie erwiderte: "Es hat Muehe gekostet, dich nach
Malmort zu bringen."

"Wo ist die Schwester, dass ich sie kuesse?" fuhr er fort, und diese,
die inzwischen den Becher gefuellt hatte, eilte ihm mit klopfendem
Herzen und leuchtenden Augen zu, obwohl sie vorsichtig schritt und den
Wein nicht verschuetten durfte.  Sie trat vor den Bruder und begann den
Spruch.  Da aber Stemma den Kelch, der dem Comes den Tod gebracht, in
den Haenden ihres Kindes erblickte und den frischen Mund ueber seinem
Rand, empfand sie einen Ekel und einen tiefen Abscheu.  Mit sicherm
Griffe bemaechtigte sie sich des Bechers, den das ueberraschte Maedchen
ohne Kampf und Widerstand fahren liess, fuehrte ihn kredenzend an den
eigenen Mund und bot ihn dem Hoefling mit den einfachen Worten: "Dir
und dieser zum Segen!" Wulfrin leerte den Becher ohne jegliche Furcht.

Palma stand bestuerzt und beschaemt.  Da hiess die Mutter sie die Glocke
ziehen, die hoch oben in einem offenen Tuermchen hing und das Gesinde
weither zum Angelus rief.  Palma hatte als Kind Freude gehabt, das
leichtbewegliche Gloecklein erschallen zu lassen, und das Amt war dem
Maedchen geblieben.  Sie fuegte sich zoegernd.

"Frau, warum hast du ihr die Freude verdorben?" fragte Wulfrin.
Stemma wies ihm die Inschrift des Bechers.  "Siehe, es ist der Spruch
eines Eheweibes", sagte sie.  "Davon lese ich nichts", meinte er.

"Erfreue dich am Wein!
Willkomm...!"


Der Finger der Richterin zeigte das Verwischte, aus welchem fuer ein
genauer pruefendes Auge noch drei Buchstaben leserlich hervortraten,
ein i, ein K, ein l.  Wulfrin erriet ohne Muehe:

"Willkomm im Kaemmerlein!"


"Du hast recht, Frau", lachte er.

Sie nahm ihn an der Hand und fuehrte ihn vor das Grabmal.  Da lag ihm
der Vater, die Linke am Schwert, die Rechte am Hifthorn, die
steinernen Fuesse ausgestreckt.  Wulfrin betrachtete die rohen aber
treuherzigen Zuege nicht ohne kindliches Gefuehl.  Das abgebildete
Hifthorn erblickend, hob er in einer ploetzlichen Anwandlung das
wirkliche, das er an der Seite trug, vor den Mund und tat einen
kraeftigen Stoss.  "Froehliche Urstaend!" rief er dem in der Gruft zu.

"Lass das!" verbot die Richterin, "es toent haesslich."

Sie setzte sich auf den Rand des Steinsarges, neben ihr eigenes
liegendes Bild, das die betenden Haende gegeneinander hielt, und begann:
"Da du nun auf Malmort bist, verlaessest du es nicht, Wulfrin, ohne
mich--nach vernommenen Zeugen--angeklagt oder freigegeben zu haben von
dem Tode des Mannes hier." Der Hoefling machte eine widerwillige
Gebaerde.  "Fuege dich", sagte sie.  "Ist es dir keine Sache, so ist es
eine Form, die du mir erfuellen musst, denn ich bin eine genaue Frau."

"Gnadenreich wird dir ausgerichtet haben", versetzte der Hoefling
aufgebracht, "dass ich dich nie beargwoehnte, weder ich noch Arbogast,
der mir das Zusammensinken des Vaters beschrieben hat.  Ich bin kein
Zweifler und moechte nicht leben als ein solcher.  Es gibt deren, die
in jedem Zufall einen Plan, und in jedem Unfall eine Schuld wittern,
doch das sind Betrogene oder selbst Betrueger.  Der Himmel behuete mich
vor beiden!  Haette ich aber Verdacht geschoepft und Feindseliges gegen
dich gesonnen, jetzt, da ich dein Antlitz sehe, stuende ich entwaffnet,
denn wahrlich du blickst nicht wie eine Moerderin.  Waerest du eine Boese,
woher naehmest du das Recht und die Stirn, das Boese aufzudecken und zu
richten?  Dawider empoert sich die Natur!"

Ein Schweigen trat ein.  "Aber was ist das fuer ein dumpfes Droehnen,
das den Boden schuettert?"

"Das ist der Strom", sagte die Richterin, "der den Felsen benagt und
unter der Burg zu Tale stuerzt."

"Wahr ist es, Frau", fuhr der Hoefling treuherzig fort, "dass ich dich
nie leiden mochte, und ich sage dir warum.  Dieser Greis hier, mein
Vater, war ein roher und gewaltsamer Mann.  Ich sage es ungern: er hat
an meinem Muetterlein missgetan, ich glaube, er schlug es.  Ich mag
nicht daran denken.  Ins Kloster hat er es gesperrt, sobald es
abwelkte.  Da ist es nicht zu wundern, wie wir Menschen sind, dass ich
von dir nichts wissen wollte, die es von seinem Platze verstiess."

"Nicht ich.  Hier tust du mir unrecht.  Da wir so zusammensitzen,
Wulfrin, warum soll ich es dir nicht erzaehlen?  Ich habe deiner Mutter
nichts zuleide getan.  Kaelter und lebloser als diese steinerne war
meine Hand, da sie gewaltsam in die deines Vaters gedrueckt wurde.  Aus
dem Kerker hergeschleppt, zugeschleudert wurde ich ihm von dem Judex,
der mir einen zitternden und zagenden Liebling von niederer Geburt
erwuergt hatte.  Nicht jedes Weib wuerde dir solches anvertrauen,
Wulfrin."

"Ich glaube dir", sagte dieser.

"Einer Gezwungenen und Entwuerdigten", betonte sie, "gab dein Vater
sterbend die Freiheit.  Und ich wurde Herrin von Malmort.  Du hast
Grund, Wulfrin, dir die Sache zu besehen.  Sie ist dunkel und schwer.
Betrachte sie von allen Seiten!  Denn, du raeumst mir ein, vernichtete
ich deinen Vater, so bin ich oder du bist zuviel auf der Erde."

"Verhoehnst du mich?" fuhr er auf, "doch nein, du blickst ernst und
traurig.  Siehe, Frau, das ewige Verhoeren und Richten hat dich quaelend
und peinlich gemacht und wahrhaftig, ich glaube"--seine Augen deuteten
auf den Stein--"auch eine Froemmlerin bist du." Er hatte rings um das
Frauenhaupt die Worte gelesen: "Orate pro magna peccatrice." "Das hier
ist grossgetan."

"Ich bin eine kirchliche Frau", antwortete Stemma, "doch wahrlich, ich
bin keine Froemmlerin, denn ich glaube nur, was ich an dem eigenen
Herzen erfahren habe.  Dein Knecht, der Steinmetz Arbogast, fragte
mich in seiner einfaeltigen Art, was er mir um das Haupt schreiben
duerfe.  In seiner schwaebischen Heimat sei bei vornehmen Frauen die
Umschrift gebraeuchlich: Betet fuer eine Suenderin."  "Schreibe mir,"
sagte ich, "'Betet fuer die grosse Suenderin', denn, Wulfrin, du hast
recht gesagt, was ich tue, tue ich gross."

"Huebsch!" rief der Hoefling, aber nicht als Antwort auf diesen
Selbstruhm, sondern das Haupt in die Hoehe richtend, wo Palma stand und
das helltoenige Gloecklein zog.  Sie hatte sich lange auf der
Wendeltreppe gesaeumt und aus den Luken nach dem ihr vorenthaltenen
Bruder zurueckgeblickt.  In der weiten Bogenoeffnung des von den ersten
Sonnenstrahlen vergoldeten Turmes wiegte sich ein lichtes Geschoepf auf
dem klingenden Morgenhimmel.  Der Hoefling sah einen laeutenden Engel,
wie ihn etwa in der zierlichen Initiale eines kostbaren Psalters ein
farbenkundiger Moench abbildet.  Eine Innigkeit, deren er sich schaemte,
ruehrte und fuellte sein Herz.  Hatte ihn doch dieses lobpreisende Kind
vom Tode errettet.

Inzwischen sammelte sich im Burghofe das Gesinde der Richterin, wohl
einhundert Koepfe stark, Maenner und Weiber, ein finsteres, sehniges,
sonneverbranntes Geschlecht, das den Behelmten eher feindlich als
neugierig musterte.  Dieser, die wieder zur Erde gestiegene Palma
darunter erblickend, machte sich Bahn, und als wollte er sich fuer die
fluechtige Andacht raechen, welche er zu einem Geschoepf aus irdischem
Stoffe empfunden, legte er ihr die Hand auf die Achsel, und den
bluehenden Mund findend, kuesste er ihn kraeftig.  Sie zitterte vor Freude
und wollte erwidern, doch schneller fasste die Richterin mit der Linken
ihre Hand, die Rechte Wulfrin bietend, und fuehrte die beiden in die
Mitte ihres Volkes.

"Bruder und Schwester", verkuendigte sie und sich auf die andere Seite
wendend noch einmal: "Schwester und Bruder."

So ungefaehr hatten es sich Knechte und Maegde schon zurechtgelegt, denn
die Aehnlichkeit Wulfrins mit dem steinernen Comes war unverkennbar,
nur dass sich der Vater in dem Sohne beseelt und veredelt hatte, des
Hifthorns an der Seite Wulfrins zu geschweigen, das anschauliches
Zeugnis gab von seiner Abstammung.

Nur das runzlige, stocktaube Muetterchen, die Sibylle, hatte nichts
vernommen und nichts begriffen.  Sie trippelte kichernd um das Maedchen,
zupfte und taetschelte es, grinste zutulich und sprudelte aus dem
zahnlosen Munde: "O du mein liebes Herrgoettchen!  Was fuer einen hat
dir da die Frau Mutter gekramt!  Zum Wiederjungwerden.  Von Paris ist
er verschrieben, aus den Buben, die dem Grossmaechtigen dienen.  Krause
Haare, praechtige Ware!"

"Halt das Maul, Drud!" schrie dem Muetterchen der Knecht Dionys ins Ohr,
"es ist der Bruder!", und sie versetzte.  "Das sage ich ja, Dionys:
der Gnadenreich ist ein troestlicher und auferbaulicher Herr, aber
der da ist ein gewaltiger, stuermender Krieger!  O du glueckseliges
Paelmchen!", und so unziemlich schwatzte sie noch lange, wenn man sie
nicht zurueckgedraengt und ihr den frechen Mund verhalten haette.  Denn
die Morgenandacht begann, und von einer entfernteren Gruppe wurde schon
die Litanei angestimmt.  Wie von selbst ordnete sich der Fruehdienst,
einen Halbkreis bildend, in dessen Mitte die Richterin den
schleppenden Gesang leitete, der, dieselben Rhythmen und Saetze immer
dringender und leidenschaftlicher wiederholend, den Himmel ueber
Malmort anrief.

Wulfrin, welcher, er wusste nicht wie, an das eine Ende des andaechtigen
Kreises geraten war, erblickte sich gegenueber die Schwester.  Alles
hatte sich niedergeworfen, er und die Richterin ausgenommen.  Seine
Blicke hingen an Palma.  Auf beiden Knien liegend, die Haende im Schoss
gefaltet, sang sie eifrig mit den jungen raetischen Maegden.  Aber das
Freudefest, das sie in der vollen Brust mit dem endlich erlangten
Bruder, dem neuen und guten Gesellen feierte, strahlte ihr aus den
Augen und jubelte ihr auf den Lippen, dass die Litanei darueber
verstummte.  Die geoeffneten gaben durch die Luefte den Kuss des Bruders
zurueck.  Und jetzt sich halb erhebend, streckte sie auch die Arme nach
ihm.  Nur eine fluechtige Gebaerde, doch so viel Glut und Jugend
ausstroemend, dass Wulfrin unwillkuerlich eine abwehrende Bewegung machte,
als wuerde ihm Gewalt angetan.  "Der Wildling!" lachte er heimlich.
"Aber die wird dem wackern Gnadenreich zu schaffen machen!  Ich muss
ihm noch das wilde Fuellen zaehmen und schulen, dass es nicht ausschlage
gegen den frommen Juengling!  Warte du nur!"

Und um die Erziehung zu beginnen, wendete er sich, da die Richterin
das Amen sprach und Palma gegen ihn aufsprang, von ihr ab, geriet aber
an Frau Stemma, die seine Hand ergriff, ihn feierlich in die Mitte
fuehrte und mit eherner Stimme zu reden begann: "Meine Leute!  Wer von
euch, Mann oder Weib, so alt ist, dass er vor jetzt sechzehn Jahren
hier stand, waehrend ich den Comes empfing, der davon herkam euren
erschlagenen Herrn, den Judex, zu raechen--wer so alt ist und dabei
gegenwaertig war, der bleibe!  Ihr Juengern, lasset uns, auch du, Palma!"

Sie gehorchten.  Palma zog sich schmollend in den aeussersten Burgwinkel
zurueck, eine halbrunde Bastei, die, ein paar Stufen tiefer als der Hof,
ueber dem senkrechten Abgrunde ragte, durch welchen die Bergflut in
ungeheurem Sturze zu Tale fiel.  Sie setzte sich auf die breite Platte
der Bruestung, blickte, den Arm vorgestuetzt, in den schneeweissen Gischt
hinein, der ihr mit seinem feinen Regen die Wange kuehlte, und hoerte in
dem Tumulte der Tiefe nur wieder den Jubel und die Ungeduld des
eigenen Herzens.

Im Hofe hinter ihr ging inzwischen die rechtliche Handlung ihren
Schritt, und Rede und Gegenrede folgte sich, rasch und doch gemessen,
nach dem Winke der Richterin.

"Hier steht der Sohn des Comes.  Ihr seid ihm die Wahrheit schuldig.
Saget sie.  Habet ihr das Bild jener Stunde?"

"Als waere es heute"--"Ich sehe den Comes vom Rosse springen"--"Wir
alle"--"Dampfend und keuchend"--"Du kredenztest"--"Drei lange
Zuege"--"Mit einem leerte er den Becher"--"Er sank"--"Wortlos"--"Er lag."

"Bei eurem Anteil am Kreuze?" fragte sie.

"So und nicht anders.  Bei unserm Anteil am Kreuze!" antwortete der
vielstimmige Schwur.

"Wulfrin, ich bitte dich, du blickst zerstreut!  Wo bist du?  Nimm
dich zusammen!"

Hastig und unwillig erhob er die Hand.

Die Richterin fasste ihn am Arm.  "Kein Leichtsinn!" warnte sie.  "Frage,
untersuche, pruefe, ehe du mich freigibst!  Du begehst eine ernste,
eine wichtige Tat!"

Wulfrin machte sich von ihr los.  "Ich gebe die Richterin frei von dem
Tode des Comes und will verdammt sein, wenn ich je daran ruehre!"
schwur er zornig.

Der Burghof begann sich zu leeren.  Wulfrin starrte vor sich hin und
vernahm, so ueberzeugt er von der Unschuld der Richterin war und so
erleichtert, mit einer haesslichen Sache fertig zu sein--dennoch vernahm
er aus seinem Innern einen Vorwurf, als haette er den Vater durch seine
Unmut und seine Hast preisgegeben und beleidigt.  So stand er
regungslos, waehrend die Richterin langsam auf ihn zutrat, sich an
seiner Brust emporrichtete und ihm Kette und Hifthorn leicht ueber das
Haupt hob.  "Als Pfand meiner Freigebung und unsers Friedens", sagte
sie freundlich.  "Ich kann seinen Ton nicht leiden." Und sie schritt
durch den Hof die Stufen hinunter und hinaus auf die Bastei und
schleuderte das Hifthorn mit ausgestreckter Rechten in die donnernde
Tiefe.

Jetzt kam Wulfrin zur Besinnung und eilte ihr nach, das vaeterliche
Erbe zurueckzufordern.  Er kam zu spaet.  In den betaeubenden Abgrund
blickend, der das Horn verschlungen hatte, hoerte er unten einen
feindlichen Triumph wie Tuben und Rossegewieher.  Sein Ohr hatte sich
in den Ebenen der lauten Rede entwoehnt, welche die Bergstroeme fuehren.
Als er wieder aufschaute, war die Richterin verschwunden.  Nur Palma
stand neben ihm, die ihn umhalste und herzlich auf den Mund kuesste.

"Lass mich!" schrie er und stiess sie von sich.




Drittes Kapitel


An einem Fenster von Malmort, durch welches der Talgrund mit seinen
Tuermen und Weilern als duftige Ferne hereinschimmerte, stand die
Richterin mit Wulfrin und zeigte ihm die Groesse ihres Besitzes.  "Das
beherrsche ich", sagte sie, "und Palma nach mir.  Dich aber, Wulfrin,
habe ich schon ehevor dazu ausersehen--wie es auch deine bruederliche
Pflicht ist--, der Schwester, wenn ich stuerbe, dieses weite Erbe zu
sichern."

"Planvoll, aber ferneliegend", sagte er.

"Fern oder nahe.  Du bist ihr natuerlicher Beschuetzer.  Ich kann mein
Kind keinem Maechtigen dieses Landes vermaehlen, denn sie sind ein
zuchtloses und sich selbst zerstoerendes Geschlecht.  Ich baende sie an
den Schweif eines gepeitschten Rosses!  Ringsherum keine Burg, an der
nicht Mord klebte!  Soll mir mein Kind in einem Hauszwist oder in
einer Blutrache untergehen?  Ja, faende ich fuer sie einen Guten und
Starken wie du bist, dann waere ich ruhig und koennte dich freigeben, du
haettest weiter keine Pflicht an ihr zu erfuellen.  Ich weiss ihr keinen
Gatten als allein Gnadenreich, und der besitzt das Land, nach der
Verheissung, als ein Sanftmuetiger, kann es aber gegen die Gewalttaetigen
nicht behaupten, deren Zahl hier Legion ist.  Erst seine Soehne werden
kraft meines Blutes Maenner sein.  Bis diese kommen und wachsen, wirst
du schon deine gepanzerte Hand ueber Gnadenreich und Palma halten und
die Herrschaft fuehren muessen.  Denn ewig reitest du nicht mit dem
Kaiser.  Vielleicht auch, wer weiss, erhebt er dich zum Grafen ueber
diesen Gau, oder dann erhaeltst du von mir eine Burg, jene"--sie wies
auf einen Turm am Horizonte--"oder eine andere, nach deinem Gefallen.
Oder du hausest hier auf meinem eigenen festen Malmort." Sie legte ihm
vertrauend die Hand auf die Schulter.

"Aber, Frau", sagte er, "du lebst!", und sie erwiderte: "Solang ich
lebe, herrsche ich."

"Dann hat es keine Eile", antwortete er.  "Dass der Schwester nichts
geschehen darf, versteht sich und gelobe ich dir.  Doch jetzt muss ich
reiten, heute! in einer Stunde!"

"Zum Kaiser?  Du hast ihm bereits meinen ortserfahrenen Rudio
geschickt mit der sichern Kundschaft, dass die Lombarden sich am Mons
Maurus befestigen und dort noch ein blutiger Sturm wird gegen sie
gefuehrt werden muessen.  Herr Karl sitzt in Mediolanum, wie wir wissen.
So braucht es dir nicht zu eilen."

"Ich lag schon zu lange hier, mich verlangt in den Buegel", sagte der
Hoefling, und die Richterin erwiderte nachgiebig: "Dann schenkst du mir
noch diesen Tag.  Ich saehe es gerne, wenn du Palma verlobtest.  Warum
Gnadenreich sich hier nicht blicken laesst?  Er haelt sich wohl in seinem
Pratum eingeschlossen, der Lombarden halber, vorsichtig wie er ist,
obschon, wie ich glaube, diese hier verstoben sind.  Weisst du was?
Geh und bring ihn.  Oder wuesstest du deiner Schwester einen bessern
Mann?"

"Nein, Frau, wenn sie ihn mag!  Doch was habe ich dabei zu raten und
zu tun?  Das ist deine Sache und die des Pfaffen, der sie zusammengibt.
Ich will den Rappen satteln gehen, den du mir geschenkt hast."

Sie blickte ihn mit besorgten Augen an.  "Was ist dir, Wulfrin?  Du
siehst bleich!  Ist dir nicht wohl hier?  Und mit Palma gehst du um
wie mit einer Puppe, du stoessest sie weg, und dann haetschelst du sie
wieder.  Du verdirbst mir das Maedchen.  Wo hast du solche Sitte
gelernt?"

"Sie ist aufdringlich", sagte er.  "Ich liebe freie Ellbogen und kann
es nicht leiden, dass man sich an mich haengt.  Sie laeuft mir nach, und
wenn ich sie schicke, weint sie.  Dann muss ich sie wieder troesten.  Es
ist unertraeglich!  Ich habe die Gewohnheit breiter Ebenen und grosser
Raeume--auf diesem Felsstueck ist alles zusammengeschoben.  Das Gebirge
drueckt, der Hof beengt, der Strom schuettert--an jeder Ecke, auf jeder
Treppe dieselben Gesichter!  Verwuenschtes Malmort!  Hier haeltst du
mich nicht.  Hier lasse ich mich nicht einmauern.  Mache dir keine
Rechnung, Frau."

"Du tust mir wehe", sagte sie.

Die harte Rede reute ihn.  "Frau, lass mich ziehen!" bat er.  "Und dass
du dich zufrieden gebest, hole ich dir heute noch den Gnadenreich, und
wir verloben die Schwester.  Wo haust er?"

"Ich danke dir, Wulfrin.  Graciosus wohnt nicht ferne von hier, in
Pratum." Sie deutete nach einer zerrissenen Schlucht, ueber welcher
eine gruene Alp hoch emporstieg. "Ich gebe dir einen Fuehrer.  Den
Knaben hier." Sie zeigte in den Hof hinunter, wo ein Hirtenbube sich
damit beschaeftigte, eine Sense zu wetzen.  Palma stand neben ihm und
plauderte.

"Gabriel", rief ihn die Richterin, "du fuehrst deinen Herrn Wulfrin
nach Pratum."

"Den Hoefling?  Mit Freuden!" jauchzte der Bube.

"Er traeumt davon", erklaerte die Richterin, "hinter dem Kaiser zu
reiten.  Besieh dir ihn."

"Darf ich mit?" fragte Palma und hob das Haupt.

"Nein", sagte die Richterin.

"Bruder!" bat sie und streckte die Haende.

"Schon wieder!  Zum Teufel!" fluchte er.  Ihre Augen fuellten sich mit
Traenen.  "So komm, Naerrchen!"

Da die dreie barhaupt und reisefertig in dem feuchten Tore standen,
waehrend ringsum die Sonne brannte, sagte die geleitende Richterin zu
Wulfrin: "Ich anvertraue dir Palma: huete sie!"

"Halleluja!  Voran, Engel Gabriel!" jubelte das Maedchen.

Unten am Burgweg sagte der Hirtenbube: "Herr, es gibt zwei Wege nach
Pratum.  Der eine steigt durch die Schlucht, der andere ueber die Alp."
Er wies mit der Hand.  "Wenn es dir und der jungen Herrin beliebt, so
nehmen wir diesen.  Oben schaut es sich weit und lustig, und es koennte
truebe werden gegen Abend.  Es ist ein Gewitterchen in der Luft."

"Ja, ueber die Alp, Wulfrin!" rief Palma.  "Ich will dir dort meinen
See zeigen", und leichtgeschuerzt schlug sie sich ueber eine lichte
Matte, die bald zu steigen begann und immer steiler wurde.

Leicht wie auf Fluegeln, mit frei atmender Brust ging das Maedchen
bergan und blieb unter der sengenden Sonne frisch und kuehl wie eine
springende Quelle.  Der Berg hatte an dem Kinde seine Freude.
Glaenzende Falter umgaukelten ihr das Haupt, und der Wind spielte mit
ihrem Blondhaar.

Wulfrin schaute um nach Malmort, das grau schimmernd kaum aus der
Morgenlandschaft hervortrat.  "Wie geschah mir", fragte er sich, "in
jenem Gemaeuer dort?  Wie konnte mich dieses unschuldige Geschoepf
beaengstigen, dieses froehliche Gespiel, diese behende Gems mit hellen
Augen und fluechtigen Fuessen?" Ihm wurde wohl, und er mochte es gerne,
dass der Knabe zu plaudern begann.

Gabriel erzaehlte von den Lombarden, welche er als Spaeher der Richterin
beschlichen hatte.  Sie seien ueberall und nirgends.  Sie nisten in den
Paessen, belauern die Boten und pluendern die Saeumer.  Sie berauschen
sich in dem geraubten heissen Weine von drueben, prahlen mit besiegten
Waffen, fabeln von der Herstellung der eisernen Krone und leugnen oder
laestern den Weltlauf.  Sie beten den Teufel an, der das Regiment fuehre,
"und doch", endigte der Knabe, "sind sie glaeubige Christen, denn sie
stehlen aus unsern Kirchen alles heilige Gebein zusammen, soviel sie
davon erwischen koennen.  Es ist Zeit, dass der Herr Kaiser zum Rechten
sehe und ihnen feste Bezirke und einen Richter gebe."

Da nun Gabriel bei dem Kaiser angelangt war, dessen erneuerte Wuerde
ihren Schimmer bis in dieses wilde Gebirge warf, begeisterten sich
seine Augen und er rief: "Diesem und keinem andern will ich dienen!
Ich heisse Gabriel und schlage gerne mit Faeusten, lieber hiesse ich
Michael und hiebe mit dem Schwerte!  Recht muss dabei sein, und der
Kaiser hat immer Recht, denn er ist eins mit Gott Vater, Sohn und
Geist.  Er hat die Weltregierung uebernommen und huetet, ein blitzendes
Schwert in der Faust, den christlichen Frieden und das tausendjaehrige
Reich."

Nun musste ihm Wulfrin den Kaiser beschreiben, die Spangen seiner Krone,
den blauen, langen Mantel, das tiefsinnige Antlitz, das
kurzgeschorene Haupt, den hangenden Schnurrbart, "den wir Hoeflinge ihm
nachahmen", sagte er lachend.

"Wie blickt der Kaiser?" fragte Palma, und Wulfrin antwortete ohne
Besinnen: "Milde."

Die Kinder lauschten andaechtig und bestaunten den Mann, der mit dem
Herrn der Welt Umgang pflog; sobald aber die Hoehe erreicht war, wo
sich der Rasen breitete, war es mit der Andacht vorbei.  Gabriel
jauchzte gegen eine ernsthafte Felswand, die den Knabenjubel guetig
spielend erwiderte, und Palma lief, den Hoefling an der Hand, einem
gruendunkelklaren Gewaesser entgegen, das die Wand mit ihrem
Riesenschatten noch immer vor der schon hohen Sonne verbarg.  Sie
umwandelten das mit Felsbloecken besaete Ufer bis zu einem bemoosten
Vorsprung, der weiche Sitze bot.  Hier zog sie ihn nieder, und wie sie
so lagerten, sagte sie: "Nun ist das Maerchen erfuellt von dem Bruder
und der Schwester, die zusammen ueber Berg und Tal wandern.  Alles ist
schoen in Erfuellung gegangen."

"Haust hier unten auch eine?" neckte Wulfrin den Buben.  Gabriel blieb
die Antwort schuldig, denn er mochte sich vor dem Hoefling nicht
blossstellen.

"Dumme Geschichten", lachte dieser, "es gibt keine Elben."

"Nein", sagte Gabriel bedenklich und kratzte sich das Ohr, "es gibt
keine, nur darf man sie nicht mit wuesten Worten rufen oder gar ihnen
Steine ins Wasser schmeissen.  Aber, Herr, wo hast du dein Hifthorn?
Du trugest es an der Seite, da du nach Malmort kamst."

"Es ist in den Strom gestuerzt", fertigte ihn der Hoefling ab.

"Das ist nicht gut", meinte der Knabe.

"Heho, Gabriel!" rief es aus der Ferne, und ein anderer Hirtenbube
wurde sichtbar.  "Ein Fohlen hat sich nach Alp Grun verlaufen,
kohlschwarz mit einem weissen Blatt auf der Stirn.  Ich wette, es
gehoert nach Malmort."

Gabriel sprang mit einem Satz in die Hoehe.  "Heilige Mutter Gottes",
rief er, "das ist unsere Magra, der muss ich nach!  Lieber Herr,
entlasse mich.  Du wirst dich schon zurechtfinden.  Ein Mensch ist
vernuenftiger als ein Vieh.  Dort", er deutete rechts, "Siehst du dort
den roten Grat?  Den suche, dahinter ist Pratum.  Auch weiss die kleine
Herrin Bescheid." Und weg war er, ohne sich um Antwort zu kuemmern.

"Palma", lachte Wulfrin, "wenn da unten eine Elbin leuchtete?"

"Mich wuerde es nicht wundern", sagte sie.  "Oft, wenn ich hier liege,
erhebe ich mich, steige sachte ans Ufer nieder und versuche das Wasser
mit der Zehe.  Und dann ist mir, als loese ich mich von mir selbst, und
ich schwimme und plaetschere in der Flut.  Aber siehe!"

Sie deutete auf ein majestaetisches Schneegebirge, das ihnen gegenueber
sich entwoelkte.  Seine verklaerten Linien hoben sich auf dem lautern
Himmel rein und zierlich, doch ohne Schaerfe, als wollten sie ihn nicht
ritzen und verwunden, und waren beides, Ernst und Reiz, Kraft und
Lieblichkeit, als haetten sie sich gebildet, ehe die Schoepfung in Mann
und Weib, in Jugend und Alter auseinanderging.

"Jetzt prangt und jubelt der Schneeberg", sagte Palma, "aber nachts,
wenn es mondhell ist, zieht er blaeulich Gewand an und redet heimlich
und sehnlich.  Da ich mich juengst hier verspaetete, machte sich der
suesse Schein mit mir zu schaffen, lockte mir Traenen und zog mir das
Herz aus dem Leibe.  Aber siehe!" wiederholte sie.

Eine Wolke schwebte ueber den weissen Gipfeln, ohne sie zu beruehren, ein
himmlisches Fest mit langsam sich wandelnden Gestalten.  Hier hob sich
ein Arm mit einem Becher, dort neigten Freunde oder Liebende sich
einander zu, und leise klang eine luftige Harfe.  Palma legte den
Finger an den Mund.  "Still", fluesterte sie, "das sind Selige!"
Schweigend betrachtete das Paar die hohe Fahrt, aber die von irdischen
Blicken belauschte himmlische Freude loeste sich auf und zerfloss.
"Bleibet! oder gehet nur!" rief Palma mit jubelnder Gebaerde, "Wir sind
selige wie ihr!  Nicht wahr, Bruder?", und sie blickte mit trunkenen
Augen bis in den Grund der seinigen.

Es kam die schwuele Mittagsstunde mit ihrem bestrickenden Zauber.
Palma umfing den Bruder in Liebe und Unschuld.  Sie schmeichelte
seinem Gelocke wie die Luft und kuesste ihn traumhaft wie der See zu
ihren Fuessen das Gestade.  Wulfrin aber ging unter in der Natur und
wurde eins mit dem Leben der Erde.  Seine Brust schwoll.  Sein Herz
klopfte zum Zerspringen.  Feuer loderte vor seinen Augen...

Da rief eine kindliche Stimme: "Sieh doch, Wulfrin, wie sie sich in
der Tiefe umarmen!"

Sein Blick glitt hinunter in die schattendunkle Flut, die Felsen und
Ufer und das Geschwisterpaar verdoppelte.  "Wer sind die zweie?" rief
er.

"Wir, Bruder", sagte Palma schuechtern, und Wulfrin erschrak, dass er
die Schwester in den Armen hielt.  Von einem Schauder geschuettelt
sprang er empor, und ohne sich nach Palma umzusehen, die ihm auf dem
Fusse folgte, eilte er in die Sonne und dem nahen Grate zu, wo jetzt
eine Figur mit einem breiten Hut und einem langen Stabe Wache zu
halten schien.

"Gruess Gott! gruess Gott!" bewillkommte Gnadenreich die Geschwister, ohne
einen Schritt vom Platze zu tun.  Er streckte ihnen nur die Haende
entgegen.  "Ich habe es dem Ohm feierlich geloben muessen", erklaerte er,
"solange die Lombardengefahr dauert, die Grenze meiner Weiden huetend
zu umwandeln, aber nicht zu ueberschreiten, denn Pratum ist ein Lehen
des Bistums, und die Kirche haelt Frieden.  Sei willkommen, Wulfrin,
und Palma nicht minder!" Seine Blicke liefen rasch zwischen dem
Hoefling und dem Maedchen: beide schienen ihm befangen.  Er wurde es
auch, denn er glaubte die Ursache ihres Weges zu wissen, und da sie
schwiegen, begann er ein grosses Geplauder.

"Sie haben dem guten Ohm boese mitgespielt", erzaehlte er.  "Wir sassen
zu dreien in der Stube beim Nachtische, denn die Richterin war nach
Chur gekommen, um den Bischof gegen die Lombarden in die Waffen zu
treiben, was er ihr als ein Kind des Friedens verweigern musste.  Frau
Stemma und der Ohm stritten sich bei den Nuessen, wie sie zuweilen tun,
ueber die Guete der Menschennatur.  Nun hatten sich kuerzlich zwei arge
Geschichten ereignet.  Jucunda, die junge Frau des Montafuners, welche
Bischof Felix gefirmelt hatte"--

"Mit mir.  Sie war sein Liebling", rief Palma, die wieder dicht neben
dem Hoefling schritt.

"Still!" sagte dieser ungebaerdig, und das Maedchen lief nach einer
Blume.--"wurde von ihrem Manne mit einem Edelknecht ertappt und durch
das Burgfenster geworfen.  Wenige Tage spaeter schlug der Schamser
mitten im Stiftshofe dem Berguener nach kurzem Wortwechsel den Schaedel
ein, und doch hatten sie eben auf die priesterliche Zusprache des Ohms
sich gekuesst und miteinander den Leib des Herrn empfangen.  Solches
hielt ihm Frau Stemma vor, doch der Ohm erwiderte: 'Das sind Wallungen
und augenblickliche Verfinsterungen der Vernunft, aber die Natur ist
gut und wird durch die Gnade noch besser.'  Der Ohm ist ein bisschen
Pelagianer, hi, hi!"

"Pelagianer?" fragte der Hoefling zerstreut, denn sein Blick rief Palma,
die ihm gleich wieder zusprang; "ist das nicht eine Gattung
griechischer Krieger?"

"Nicht doch, Wulfrin, es ist eine Gattung Ketzer.  Also: Frau Stemma
und der Ohm stritten ueber das Boese.  Da sieht der Bischof, der
kurzsichtig ist, auf Felicitas--diesen Namen hat er der nahen Hoehe
gegeben, wo ihm ein Sommerhaus steht--eine Flamme.  Wir feiern den
Abzug der Lombarden", laechelte er.  Frau Stemma blickt hin und bemerkt
in ihrer ruhigen Weise: 'Ich meine, sie sind es selber', und richtig
tanzten sie auf dem Huegel wie Daemonen um den Brand.

Da laermt es auf dem Platz.  Ein Boesewicht faellt mit der Tuere ins Haus
und redet: 'Bischof, tue nach dem Evangelium und gib mir den Rock,
nachdem du seine Taschen mit Byzantinern gefuellt hast, denn deine
Maentel haben wir in der Sakristei drueben schon gestohlen!'  Der Ohm
erstarrt.  Jetzt tritt der Lombarde auf Stemma zu, welche im
Halbdunkel sass, 'Die Frau da', hoehnt er, 'hat einen Heiligenschein um
das Haupt, her mit dem Stirnband!'  Da erhebt sich Frau Stemma und
durchbohrt den Menschen mit ihren fuerchterlichen Augen: 'Unterstehe
dich!'  'Ja so', sagt er, 'die Richterin!' und biegt das Knie.  Da der
arme Ohm endlich aufatmete, nach erbrochenen Kisten und Kasten, rief
ihn der Hoellenkerl wieder vom Domplatze her ans Fenster.  Er ritt mit
nackten Fersen den schoensten Stiftsgaul, dem er eine purpurne
Altardecke uebergelegt--sich selbst hatte er ein Messgewand umgehangen--,
und zog dem Kirchenschimmel mit dem entwendeten Krummstab von Chur
einen solchen ueber den blanken Hinterbacken, dass er bolzgerade stieg
und der Stab in Truemmer flog.  'Bischof, segne mich!' schrie der
Lombarde.  Der Ohm in seiner Froemmigkeit besiegte sich.  'Ziehe hin in
Frieden, mein Sohn!' sprach er und hob die Haende.

'Dich, Bischof', jauchzte der Lombarde, 'hole der Teufel!'

'Und dich hole er gleichfalls!' gab der Ohm zurueck.  "Ich haette es
eigentlich nicht erzaehlen sollen", endete Gnadenreich halb reuig, "es
hat den Ohm schrecklich erbost."

Palma hatte gelacht, auch der Hoefling verzog den Mund, und Gnadenreich
wurde immer gespraechiger und zutulicher.

"Wir haben uns eine Ewigkeit nicht gesehen, Wulfrin", sagte er.  "Ich
verliess Rom bald nach dir, aber was habe ich nicht dort noch erlebt!
Welche Bekanntschaften habe ich gemacht!  Ich ging dein Buechlein im
Palaste holen und traf ihn selbst, der es geschrieben.  Welch ein Kopf!
Fast zu schwer fuer den kleinen Koerper!  Was da alles drinnesteckt!
Kaum ein Viertelstuendchen kostete ich den beruehmten Mann, aber in
dieser winzigen Spanne Zeit hat er mich fuer mein Lebtag in allem Guten
befestigt.  Dann pochte es ganz bescheiden und leise, und wer tritt
ein?--ich bitte dich, Wulfrin!--der Kaiser.  Ich verging vor Ehrfurcht.
Er aber war gnaedig und ergoetzte sich, denke dir! an deiner
Geschichte, Wulfrin, die er sich von mir erzaehlen liess"--

Jetzt verstand Graciosus sein eigenes Wort nicht mehr, denn sie
gerieten zwischen die Herden und das gruene Pratum wurde voller Gebloeke
und Gebruelle.  Einer der magern und wolfaehnlichen Berghunde
beschnoberte den Hoefling, sprang dann aber liebkosend an ihm auf und
beleckte ihn, wenn Graciosus dem Tiere seine Ungezogenheit nicht
verwiesen haette.  Palma aber wurde von den Hirtenmaedchen umringt und
mit Verwunderung angestarrt.  Die junge Herrin von Malmort war
leutselig und frug alle nach ihren Namen und Herden.

"Ich bin gewiss kein Plauderer", sagte Graciosus, nachdem er Raum
geschafft hatte, "aber du begreifst, wenn der Kaiser befiehlt--
haarklein musste ich berichten von Horn und Becher, und zumal
die erstaunliche Frau Stemma machte dem hohen Herrn zu schaffen."

Der Hoefling blickte verdriesslich.

"Welch ein Mann!" lobpries Gnadenreich.  "Der Inhalt und die Hoehe des
Jahrhunderts!  Wer bewundert ihn genug?  Und doch, aber doch--Wulfrin,
ich habe von den Hoeflingen, deren Umgang ich nicht ganz meiden konnte,
etwas vernommen, das mich tief betruebt, etwas von einer gewissen
Regine... weisst du es?"

"Das ist seine Kebsin", fuhr Wulfrin ehrlich heraus.

"Schlimm, sehr schlimm!  Ein Flecken in der Sonne!  Kein vollkommenes
Beispiel!  Und die Karlstoechter?"

"Alle Wetter und Stuerme", brauste Wulfrin auf, "wer hat mich zum Hueter
der Karlstoechter bestellt?"

"Die Karlstoechter!" rief mitten aus den Herden Palma, die in der
Entfernung die schallende Rede Wulfrins verstanden hatte.  "Sie heissen:
Hiltrud, Rotrud, Rothaid, Gisella, Bertha, Adaltrud und Himiltrud.
Gnadenreich hat eine Tabelle davon verfertigt." Die raetischen Maedchen
wiederholten die ihnen fremd klingenden Namen und zogen unter
jubelndem Gelaechter die junge Herrin mit sich fort.

Gnadenreich verlangsamte den Schritt.  Traulich suchte er die Hand des
Hoeflings.  "Die Ehe ist heilig", sagte er, "und das sollte der Kaiser
nicht vergessen, da er so hoch steht.  Du hast erraten, Wulfrin, dass
ich ausser ihr geboren bin.  Deshalb habe ich eine grosse Meinung von
ihr und eine wahre Leidenschaft, in der meinigen ein Muster von Tugend
zu sein.  Ein gutes Maedchen fuehre nicht schlecht mit mir.  Du kennst
meine Neigung, an der ich festhalte, wenn mir auch Palma zuweilen
Sorge macht.  Jetzt sind wir allein--sie scheint heute lenksam--das
koennte die Stunde sein--wenn es dein Wille waere"--

"Sei nur getrost, Gnadenreich", ermutigte Wulfrin, "die Sache ist
abgemacht."

Haette einer der Gewalttaetigen, welche auf den raetischen Felsen
nisteten, begehrlich nach Palma gegriffen, Wulfrin moechte ihm ins
Angesicht getrotzt und das Schwert aus der Scheide gerissen haben,
aber Graciosus war zu harmlos, als dass er ihm haette zuernen koennen.
Und er selbst fuehlte sich mit einem Male von einem dunkeln Schrecken
getrieben, die Schwester zu vermaehlen.

"Abgemacht?" fragte Graciosus, "du willst sagen: zwischen dir und der
Richterin?  Doch wie meinst du--ist Palma nicht am Ende zu wild und
gross fuer mich?"

"Sei nicht bloede und fackle nicht laenger!  Willst du sie?"

Die Schreitenden hatten eine Huegelwelle ueberstiegen und erblickten
jetzt diejenige wieder, von der sie redeten.  Sie hatte sich
von den Hirtinnen getrennt und stand vor einem der tiefen und
schnellstroemenden Baeche, welche die Hochmatten durchschneiden.  Neben
ihr irrte ein bloekendes Laemmchen, das die Herde verloren hatte, und am
Uferrand sitzend, loeste sich eine kropfige Bettlerin blutige Lumpen
von ihrem wunden Fusse und wusch ihn mit dem frischen Wasser.  Rasch
entledigte sich das Maedchen der Schuhe, stellte dieselben mit einem
mitleidigen Blick neben die Kretine, hob das Lamm in die Arme, watete
mit ihm durch die Stroemung und liess es seiner Herde nachlaufen.

Da kam ueber Gnadenreich eine Erleuchtung.  "Ich wage es!  Ich nehme
sie!" rief er aus.  "Sie ist gut und barmherzig mit jeglicher Kreatur!"

"So gehe voraus und richte das Brautmahl!  Ich werde fuer dich werben.
Das ist doch dein Kastell?" In einiger Entfernung stieg aus einem
Bezirke von Huerden und Staellen ein neugebauter Rundturm, ueber welchem
gerade der Foehn einen ungeheuerlichen Wolkendrachen emportrieb.
Gnadenreich bog seitwaerts, die Bruecke suchend, waehrend der Hoefling den
reissenden Bach in einem Satze uebersprang.

Wulfrin erreichte die Schwester.  "Du laeufst barfuss, Braeutchen?"

"Ich bin kein Braeutchen, und was nuetzen mir die Schuhe, wenn ich nicht
mit dir durch die Welt laufen darf?"

"Du bist nicht die Toerin, das im Ernste zu reden, und die Frau auf
Pratum darf nicht unbeschuht gehen."

"Gnadenreich hat nicht den Mund gegen mich geoeffnet."

"Er wirbt durch den meinigen.  Nimm ihn, rat ich dir, wenn du keinen
andern liebst."

Sie schuettelte den Kopf.  "Nur dich, Wulfrin."

"Das zaehlt nicht."

Sie hob die klaren Augen zu ihm auf.  "Geschieht dir damit ein so
grosser Gefallen?"

Er nickte.

"So tue ich es dir zuliebe."

"Du bist ein gutes Kind." Er streichelte ihr die Wange.  "Ich werde
euch schuetzen, dass euch nichts Feindliches widerfahre, und bei eurem
ersten Buben Gevatter stehen."

Sie erroetete nicht, sondern die Augen fuellten sich mit Traenen.  "Nun
denn", sagte sie, "aber wir wollen langsam gehen, dass es eine Stunde
dauert, bis wir Pratum erreichen." Der Turm stand vor ihnen.  Dem
Hoefling aber wurde es offenbar, jetzt da er die Schwester weggab, dass
sie ihm das Liebste auf der Erde sei.

"Hier thronen wir wie die Engel", sagte Graciosus, nachdem er seine
Gaeste die Wendeltreppe empor durch die Gelasse seines Turmes und auf
die Zinne gefuehrt hatte, wo das Mahl bereitet war.  Der Tisch trug
neben den Broten eine Schuessel Milch mit dem geschnitzten Loeffel und
einen Krug voll schwarzdunkeln Weines, ein bischoefliches Geschirr,
denn es war mit der Mitra und den zwei Krummstaeben bezeichnet.  Die
dreie sassen auf einer Bank, das Maedchen in der Mitte.  Die ringsum
laufende Bruestung reichte so hoch, dass sich kaum darueber wegblicken
liess.  Nur der Himmel war sichtbar, und an diesem haeuften sich
unheimliche schwefelgelbe Wolken.

"Die Milch fuer mich, fuer dich der Wein, Wulfrin", sagte Graciosus.
"Der verreiste noch gluecklich aus dem bischoeflichen Keller, ehe ihn
die Lombarden leerten.  Aber mit wem haelt es Fraeulein Palma?"

"Mit dir", meinte der Hoefling.

Graciosus sprach das Tischgebet.  "Nun gleich auch den andern Spruch,
frisch heraus, Gnadenreich!" ermunterte Wulfrin.

Da geschah es, dass der Bischofsneffe, so redegewandt er war, sich auf
nichts besinnen konnte von alle dem Zaertlichen und Verstaendigen, was
er sich fuer diesen entscheidenden Augenblick langeher ausgesonnen
hatte.  Ratlos blickte er in die warmen braunen Augen.  Jetzt gedachte
er des Laemmchens und der blossen Fuesse und kam in eine fromme Stimmung.
"Palma novella", bekannte er, "ich liebe dich von ganzem Herzen, von
ganzer Seele und von ganzem Gemuete."

Das war huebsch.  Das Maedchen wurde geruehrt und reichte ihm die Hand.
Auch Wulfrin missfiel diese Werbung nicht.  "Nun aber wollen wir ein
bisschen lustig sein!" rief er aus.  "Das bringe ich euch!" Er hob den
Krug und trank.  Graciosus schoepfte einen Loeffel Milch und bot ihn dem
Munde seiner Braut.  Es war nicht der einzige auf Pratum, aber
Gnadenreich wollte eine sinnbildliche Handlung begehen.

Sie oeffnete schon die roten Lippen, da sagte sie: "Heute widersteht
mir die Milch.  Gib du mir zu trinken, Wulfrin." Er reichte ihr den
Krug, und sie schluerfte so hastig, dass er ihr denselben wieder aus den
Haenden nahm.  Darauf schien sie ermuedet, denn sie liess den Kopf auf
die Schulter und allmaehlich in die Arme sinken und nickte ein.  Die
Foehnluft wurde zum Ersticken heiss.  Wulfrin und Graciosus verstummten
ebenfalls, und dieser half sich, indem er seine Milch ausloeffelte und
nach laendlicher Sitte zuletzt die Schuessel mit beiden Haenden an den
Mund hob.  Wulfrin betrachtete den jungen Nacken.  Er enthielt sich
nicht und beruehrte ihn mit den Lippen.  Sie erwachte.

"Aber wir sitzen auf dem Turm wie die drei Verzauberten", sagte sie.
"Geh, Gnadenreich, hole uns das Buch, wo der Bruder abgebildet ist,
das aus dem Stifte--weisst du--, welches du bei deinem letzten Besuche
der Mutter, der ich ueber die Schulter blickte, gezeigt hast."
Gnadenreich willfahrte ihr, aber sichtlich ungerne.

Palma suchte und fand das Blatt.  Ueber dem lateinischen Texte war
mit saubern Strichen und hellen Farben abgebildet, wie ein Behelmter
den Arm abwehrend gegen ein Maedchen ausstreckt, das ihn zu verfolgen
schien.  Mit dem Krieger deuchte er sich nichts gemein zu haben als
den Helm, doch je laenger er das gemalte Maedchen beschaute, desto mehr
begann es mit seinen braunen Augen und goldenen Haaren Palma zu
gleichen.  Um die Figur aber stand geschrieben: "Byblis."

"Erzaehle und deute, Gnadenreich", bat Palma.  Graciosus blieb stumm.
"Nun, so will ich erklaeren.  Das hier ist der Bruder auf Malmort, wie
er anfangs war und mich wegstoesst."

"Das ist nichts fuer dich, Palma!" wehrte Graciosus aengstlich, "lass!",
und er entzog das Buch ihren Haenden.

"Ihr seid beide langweilig!" schmollte sie.  "Ich gehe lieber.  Drueben
am Hange sah ich bluehende Rosen in dichten Bueschen stehen.  Ich will
mir einen Kranz winden", und sie entsprang.

Ein blendender Blitz fuhr ueber Pratum weg und dem Hoefling durch die
Adern.  "Warum hast du ihr das Buch weggenommen?" fragte er gereizt.

"Weil es fuer Maedchen nicht taugt", rechtfertigte sich Gnadenreich.

"Warum nicht?"

"Die Schwester im Buche liebt den Bruder."

"Natuerlich liebt sie ihn.  Was ist da zu suchen?"

Graciosus antwortete mit einer Miene des Abscheus: "Sie liebt ihn
suendig! sie begehrt ihn."

Wulfrin entfaerbte sich und wurde totenbleich.  "Schweig, Schurke!"
schrie er mit entstellten Zuegen, "oder ich schleudere dich ueber die
Mauer!"

"Um Gottes willen", stammelte Graciosus, "was ist dir?  Bist du
verhext?  Wirst du wahnsinnig?" Er war von Wulfrin und dem Buche
weggesprungen, in welches dieser mit entsetzten Blicken hineinstarrte.
"Ich beschwoere dich, Wulfrin, nimm Vernunft an und lass dir sagen: das
hat ein heidnischer Poet ersonnen, leichtfertig und luegnerisch hat er
erfunden, was nicht sein darf, was nicht sein kann, was unter Christen
und Heiden ein Greuel waere!"

"Und du liesest so gemeine Buecher und ergoetzest dich an dem Boesen,
Schuft?"

"Ich lese mit christlichen Augen", verteidigte sich Gnadenreich
beleidigt, "zu meiner Warnung und Bewahrung, dass ich den Versucher
kenne und nicht unversehens in die Suende gleite!"

Die Haende des Hoeflings zitterten und krampften sich ueber dem Blatte.

"Bei allen Heiligen, Wulfrin, zerstoere das Buch nicht!  Es ist das
teuerste des Stiftes!"

"Ins Feuer mit ihm!" schrie der Hoefling, und weil kein Herd da war als
der lodernde des offenen Himmels, riss er das Blatt in Fetzen und warf
sie hoch auf in den wirbelnden Sturm.

Es trat eine Stille ein.  Graciosus betrachtete stoehnend das
verstuemmelte Buch, waehrend Wulfrin mit verschlungenen Armen und
unheimlichen Augen bruetete.  So beschlich ihn die zurueckkommende Palma
und setzte ihm den leichten von ihr gewundenen Kranz auf das belastete
Haupt.

Er fuhr zusammen, da er das Geflechte spuerte, zerrte es sich ab, riss
es entzwei und warf es mit einem Fluche dem vom Laufe erhitzten
Maedchen zu Fuessen.

Da flammten ihr die Augen und sie streckte sich in die Hoehe: "Du
Abscheulicher!  Tust du mir so?" Zornige Traenen drangen ihr hervor.
"Nun nehme ich auch den Gnadenreich nicht, dir zuleide!"

"Palma", befahl er, "gleich kehrst du nach Hause!  Ueber die Alp!
Wende dich nicht um!  Ich gehe durch die Schlucht!  Laeufst du mir ueber
den Weg, so werfe ich dich in den Strom!"

Sie sah ihn jammervoll an.  Seine Todesblaesse, das gestraeubte Haar,
das unglueckliche Antlitz erfuellten sie mit Angst und Mitleid.  Sie
machte eine Bewegung gegen ihn, als wollte sie ihm mit beiden Haenden
die pochenden Schlaefen halten.  "Hinweg!" rief er und riss das Schwert
aus der Scheide.

Da wandte sie sich.  Er blickte ueber die Bruestung und sah, wie sie in
wildem Laufe durch die Alp eilte.  Auch er verliess das Kastell und
schlug, von dem nahen Tosen des Stromes gefuehrt, den Weg gegen die
Schlucht ein, die furchtbarste in Raetien.  Gnadenreich gab ihm kein
Geleit.

Da er in den Schlund hinabstieg, wo der Strom wuetete, und er im
Gestrueppe den Pfad suchte, stoerte sein Fuss oder der ihm vorleuchtende
Wetterstrahl haessliches Nachtgevoegel auf, und eine pfeifende Fledermaus
verwirrte sich in seinem Haare.  Er betrat eine Hoelle.  Ueber der
rasenden Flut drehten und kruemmten sich ungeheure Gestalten, die der
flammende Himmel auseinanderriss und die sich in der Finsternis wieder
umarmten.  Da war nichts mehr von den lichten Gesetzen und den schoenen
Massen der Erde.  Das war eine Welt der Willkuer, des Trotzes, der
Auflehnung.  Gestreckte Arme schleuderten Felsstuecke gegen den Himmel.
Hier wuchs ein drohendes Haupt aus der Wand, dort hing ein gewaltiger
Leib ueber dem Abgrund.  Mitten im weissen Gischt lag ein Riese, liess
sich den ganzen Sturz und Stoss auf die Brust prallen und bruellte vor
Wonne.  Wulfrin aber schritt ohne Furcht, denn er fuehlte sich wohl
unter diesen Gesetzlosen.  Auch ihn ergriff die Lust der Empoerung, er
glitt auf eine wilde Platte, liess die Fuesse ueberhangen in die Tiefe,
die nach ihm rief und spritzte, und sang und jauchzte mit dem Abgrund.

Da traf der starre Blick seines zurueckgeworfenen Hauptes auf ein Weib
in einer Kutte, das am Wege sag.  "Nonne, was hast du gefrevelt?"
fragte er.  Sie erwiderte: "Ich bin die Faustine und habe den Mann
vergiftet.  Und du, Herr, was ist deine Tat?"

Lachend antwortete er: "Ich begehre die Schwester!"

Da entsetzte sich die Moerderin, schlug ein Kreuz ueber das andere und
lief so geschwind sie konnte.  Auch er erstaunte und erschrak vor dem
lauten Worte seines Geheimnisses.  Es jagte ihn auf, und er floh vor
sich selbst.  Schweres Rollen erschuetterte den Grund, als oeffne er
sich, ihn zu verschlingen.  Von senkrechter Wand herab schlug ein
maechtiger Block vor ihm nieder und sprang mit einem zweiten Satz in
die aufspritzende Flut.

Der Himmel schwieg eine Weile, und Wulfrin tappte in dunkler Nacht.
Da erhellte sich wiederum die Schlucht, und auf einer ueber den Abgrund
gestuerzten Tanne sah er die Schwester mit nackten und sichern Fuessen
gegen sich wandeln, und jetzt lag sie vor ihm und beruehrte seine Knie.

"Was habe ich dir getan", weinte sie, "warum fliehst, warum
verwuenschest du mich?  Bruder, Bruder, was habe ich an dir gesuendigt?
Ich kann es nicht finden!  Siehe, ich muss dir folgen, es ist staerker
als ich!  Ich lief drueben, da sah ich den Steg. Toete mich lieber!  Ich
kann nicht leben, wenn du mich hassest!  Tue, wie du gedroht hast!"

Er stiess einen Schrei aus, ergriff, schleuderte sie, sah sie im
Gewitterlicht gegen den Felsen fahren, taumeln, tasten und ihre Knie
unter ihr weichen.  Er neigte sich ueber die Zusammengesunkene.  Sie
regte sich nicht, und an der Stirn klebte Blut.  Da hob er sie auf
maechtigen Armen an seine Brust und schritt, ohne zu wissen wohin, das
Liebe umfangend, dem Tale zu.

Er hatte die Klus hinter sich, da sauste es an ihm vorueber, und er
erblickte einen Knaben, der ein scheues Ross zu baendigen suchte.  "He,
Gabriel", rief er ihm nach, "sage der Richterin, sie rueste den Saal
und richte das Mahl!  Tausend Fackeln entzuendet!  Malmort strahle!
Ich halte Hochzeit mit der Schwester!" Der Sturm verschlang die
rasenden Worte.  Malmort mit seinen Tuermen stand schwarz auf dem noch
wetterleuchtenden Nachthimmel.

Mit seiner Last den Burgpfad emporsteigend, sah er oben Lichter hin-
und herrennen.  Dann begegnete er der geaengstigten Mutter, die ihm
halben Weges entgegengeeilt war.  "Wulfrin", flehte sie mit
ausgestreckten Armen, "wo hast du Palma?" "Da nimm sie", sagte er und
bot ihr die Leblose.




Viertes Kapitel


Da Wulfrin am folgenden Tage erwachte, lag er unter den
schwarzschattenden Buescheln einer gewaltigen Arve, waehrend die Matten
ringsum schon in der Mittagssonne schimmerten.  Er hatte eben noch,
den wuerzigen Waldgeruch einatmend, heiter und gluecklich getraeumt von
dem Wettspiel in einer roemischen Arena und im Speerwurf einen
Lorbeerkranz davongetragen.  Sein Blut floss ruhig, und seine Stirne
war hell.

Nachdem er gestern Palma der Mutter in die Arme gelegt, war er ins
Dunkel zurueckgewichen.  Mit irren Fuessen, in ruhelosem Laufe, kreuz und
quer, hatte er das Gebiet von Malmort durchjagt, bis weit ueber
Mitternacht hinaus, und war dann im Morgengrauen niedergestuerzt und in
einen bleiernen Schlaf versunken.

Er fand sich auf einer von leichtgeschwungenen Huegeln umgebenen Wiese,
fernab von dem Gelaeute der Herdglocken, in tiefer Einsamkeit.  Nur ein
Specht haemmerte, und zwei Eichhoerner tummelten und neckten sich in der
Mitte ihres gruenen Bezirkes.  Wulfrin rieb sich den Schlummer aus den
Augen und schaute umher.  Da entdeckte er ueber dem Huegelrande die
Giebel und Turmspitzen von Malmort.  Er liess sich auf dem Hange
gleiten, und sie verschwanden.

Allmaehlich schlich sich das Gestern an ihn heran, er wehrte es ab, er
misstraute ihm, er wollte, er konnte es nicht glauben.  War er nicht
der Starke und Freie, der Froehliche und Zuversichtliche, der dem
Feinde ins Auge sah und das Irrsal mit dem Schwerte durchschnitt?  Was
war denn geschehen?  Eine raetselhafte Frau hatte ihn uebermocht, zu
beschwoeren, was er nicht bezweifelte.  Ein Maedchen, das sich in der
Langenweile eines Bergschlosses den vollkommensten Bruder ausgesonnen,
war ihm zugesprungen und hatte sich naerrisch ihm an den Hals gehaengt.
Ein tueckischer Becher ungewohnten Weines oder das freche Bild einer
ausschweifenden Fabel oder der heisse Hauch des Foehnes oder was es
sonst gewesen sein mochte, hatte ihn betoert und verstoert.  Und was er
an den Felsen geschleudert, war nicht die Schwester--wie haette sie den
gaehnenden Abgrund ueberschritten?--, sondern irgendein Blendwerk der
Gewitternacht.

"Und war es die Schwester und habe ich sie zerschmettert, so bin ich
ihrer ledig", trotzte er, und zugleich ergriff ihn ein unendliches
Mitleid und die inbruenstigste Liebe zu dem jungen Leben, das er
misshandelt und vernichtet hatte.  Er sah sie mit allen ihren Gebaerden,
jedes ihrer suessen und unschuldigen Worte nahm Gestalt an, er schaute
in ihre seligen Augen und in ihre wehklagenden.  Jetzt fuehlte er sie,
die sich weinend und schmeichelnd mit ihm vereinigte, und wusste, dass
sie noch lebte und atmete.  "Meine Seele!  Blut meiner Adern!" rief er
und wieder: "Palma!  Palma!"

"--Palma!" wiederholte das Echo.

"Palma mein Weib!" Das Echo entsetzte sich und verstummte.

Ein toedlicher Schauer durchrieselte sein Mark.  Sich auf die Rechte
stuetzend, hob er sich halb von der Erde und langte mit der Linken nach
der blutenden Brust wie auf dem Schlachtfelde.  "Es sitzt!" aechzte er.
"ich bin der Schrankenlose, der Uebertreter, der Verdammte!  Ich muss
sterben, damit die Schwester lebe!  Doch womit habe ich den Himmel
beleidigt? wodurch habe ich die Hoelle gelockt?" Rasch uebersann er sein
Leben, er fand darin keinen Makel, nur laesslichen Fehl.  "Nun, wen's
trifft, den trifft's!  Ich habe eben das schlimme Los aus dem Helme
gezogen und verwundere mich nicht, kenne ich ja die Grausamkeiten der
Walstatt.  Es geht vorueber!" Da schien ihm denn doch das Dasein ein
Gut, so leicht er es sonst wertete, jetzt da er, ob auch unter
grimmigen Schrecken, seinen tiefsten Reiz und seine geheimste
Lieblichkeit gekostet hatte.  Er hob die starken Haende vor das
Angesicht und schluchzte...

Maehlich verlaengerten sich die Schatten, und es wurde still ueber der
Wiese.  Da legte sich ihm eine Hand auf die Schulter.  Ohne das Haupt
zu wenden, sagte er: "Ich komme", und wollte sich erheben, denn er
wusste, es war der Tod, der zu ihm trat, um ihn an den jaehesten Abgrund
zu fuehren.

"Bleibe, Wulfrin!" sprach weich die Stimme der Richterin, "ich setze
mich zu dir", und Frau Stemma liess sich neben ihn auf das Moos gleiten
in einem weiten langen Gewande, das selbst die Spitzen der Fuesse
verhuellte.

"Beruehre mich nicht!" schrie er und warf sich zurueck.  "Ich bin ein
Unseliger!"

"Ich suchte dich lange", sagte sie.  "Warum bliebest du ferne?  Dir
ist bange fuer Palma?  Die wurde nur leicht verwundet, hat aber in
tiefer Ohnmacht gelegen.  Erwachend hat sie erzaehlt, wie euch gestern
das Gewitter in der Schlucht ueberraschte, wie sie glitt und die
Besinnung verlor.  Auf deinen Armen hast du sie getragen."

Wulfrin blieb stumm.

"Oder redete sie unwahr, und du warfest sie an den Felsen, um sie zu
zerschmettern?"

Er nickte.

Sie schwieg eine Weile, dann hob sie die Hand und beruehrte wiederum
seine Schulter.  "Wulfrin, du hassest deine Schwester oder--du liebst
sie!" Sie fuehlte, wie der Hoefling vom Wirbel zur Zehe zitterte.

"Es ist entsetzlich", stoehnte er.

"Es ist entsetzlich", sagte sie, "aber unerklaerlich ist es nicht.  Ihr
seid ferne voneinander erwachsen, wurdet eurer Angesichter und
Gestalten nicht gewoehnt, und so waret ihr euch frisch und neu, da ihr
euch fandet, wie ein fremder Mann und ein fremdes Weib.  Mutig!  Rufe
und rufe es deinen Gedanken und Sinnen zu.  Palma und Wulfrin sind
eines Blutes!  Sie werden schaudern und erkalten und nicht laenger die
himmlische Flamme der Geschwisterliebe verwechseln mit dem
schoepferischen Feuer der Erde."

Er antwortete nicht, kaum dass er ihre Worte gehoert hatte, sondern
murmelte zaertlich: "Warum hast du sie Palma novella getauft?  Das ist
ein gar seltsamer und schoener Name!"

Stemma erwiderte: "Ich habe sie die junge Palme genannt, weil sie aus
dem Schutte des Grabes frisch und freudig aufspriesst, und, bei meinem
Leben! wer an dem schlanken Stamme frevelt, den richte und toete ich!
Noch ist Palma unschuldig.  Deine rasende Flamme hat ihr nicht ein
Haerchen der Wimper, nicht den aeussersten Saum des Kleides versengt.
Ungluecklicher, wie ist ein solches Leiden ueber dich gekommen?"

"Wie eine Seuche, die aus dem Boden dampft!  Aber mein Schutzengel
warnte mich vor Malmort.  Da du mich riefest, verschloss ich das Ohr.
Ich bog ab und fiel in die Haende der Lombarden.  Warum hast du den
Pfeil des Witigis gehemmt?" Er starrte vor sich nieder.  Dann schrie
er verzweifelnd auf und ergriff und presste den Arm der Richterin, die
finstern Augen fest auf das ruhige Antlitz heftend: "Bei dem Haupte
Gottes--"

"Bei dem Haupte Palmas", sagte sie.

"Ist sie meine Schwester?"

"Wie sonst?  Ich weiss es nicht anders.  Was denkst du dir?"

"Dann ist mein Haupt verwirkt und jeder meiner Atemzuege eine Suende!"
Er sprang auf, waehrend sie ihn mit nervigen Armen umschlang, so dass er
sie mit sich emporzog.

"Wohin, Wulfrin?  In eine Tiefe?  Nein, du darfst diesen starken Leib
und dieses tapfere Herz nicht zerstoeren!  Nimm dein Ross und reite!
Reite zu deinem Kaiser!  Mische dich unter deine Waffenbrueder!  Ein
paar Tagritte, und du bist gesundet und blickst so frei wie die andern!"

"Das geht nicht", sagte er jammervoll.  "Wir leiden nicht den
geringsten Makel in unserer Schar, und ich sollte verraeterisch die
Schande unter uns verstecken?"

"So stachle dein Ross, reite Tag und Nacht, ueber Berg und Flaeche,
springe in ein Schiff, bringe ein Meer und ein zweites zwischen sie
und dich, und wenn dich Delphin und Nixe umgaukelt, tauchen vor dir
aus der Blaeue Inseln und Vorgebirge, verwegenes Abenteuer und die
Schoenheit als Beute!"

"Was huelfe es?" sagte er.  "Sie zoege mit mir, die Nixe truege ihr
Angesicht, und ich umarmte sie in jedem Weibe!  Denn ich bin mit ihr
vermaehlt ewiglich.  Nein, ich kann nicht leben!"

"Das ist Feigheit!" sprach sie leise.

Der Schimpf trieb ihm wie ein Schlag das Blut ins Angesicht.  Er
baeumte sich auf.  "Du hast recht, Frau!" schrie er.  "Ich darf nicht
als ein Feigling umkommen, du selbst sollst mich richten und
verurteilen.  Am lichten Tag, unter allem Volke, will ich den Greuel
bekennen und die Suehne leisten!" So rief er in zorniger Empoerung, dann
aber besaenftigte sich sein Angesicht, denn er hatte die Loesung
gefunden, die ihm ziemte.

"Unsinn!" sagte sie.  "Solche verborgene Dinge bekennt man nicht dem
Tage, denn du bist ein Verbrecher nur in deinen Gedanken.  Die Tat
aber und nur die Tat ist richtbar."

"Frau, das wird sich offenbaren!  Vernimm, was ich tue.  Ich wandere
zu dem Kaiser und spreche zu ihm: Siehe, Wulfrin der Hoefling begehrt
das eigene Blut, das Kind seines Vaters!  Es ist so, er kann nicht
anders.  Schaffe den Suender aus der Welt!  Und spricht der Kaiser: Die
Tat ist nicht vollbracht, so antwortet Wulfrin: Ich vollbringe sie mit
jedem Atemzuge!"

"Auf suendiger Geschwisterliebe", drohte Frau Stemma, "steht das Feuer."

Wulfrin lachte.

"Und du willst vor dem ganzen Volke dastehen in deiner Bloesse?"

"Ich will dastehen", sagte er, "als der, welcher ich bin."

"So mangelt dir der Verstand und die Kraft, das Geheimnis der Suende zu
tragen?"

"Das ist Weibes Art und Weibes Lust", sagte er veraechtlich.

"Und du wirst mit dem Kaiser kommen, und ich soll dich richten?"

"Du!"

"Das werde ich!" sagte sie und entfernte sich langsam.

Jetzt da Wulfrin sein Schicksal entschieden und vollendet glaubte, kam
die Ruhe des Abends ueber ihn.  Er blieb unter seiner Arve, bis die
Sonne niederging und der Tag ihr folgte.  Und wie sie mit gebrochenen
Speeren sich legte und ihr Blut am Himmel verstroemte, erlosch er mit
ihr und sah sich die Schwester, wie das Spaetlicht, im gruenen Gewande
und auf stillen Sohlen nachschreiten.  Das aufgegebene Schwert reute
ihn nicht.  "Sie werden drueben einen Krieger brauchen", sagte er sich
und wandelte schon unter den seligen Helden.

Wie es Nacht war und der Mond leuchtete, ging er sachte bergab, denn
er gedachte ein Seitental zu gewinnen und seinen Kaiser zu erreichen,
ohne dass er Malmort und die Stapfen der Schwester beruehre.  Beide
wollte er nur am Gerichtstage wiedersehen.  Er gelangte an den Strom,
der hier ohne Gewalt und Sturz Klippen und Felsen breit ueberflutete.
Das Mondlicht verlockte ihn, sich auf ein Felsstueck zu lagern und
wunsch- und schmerzlos mit den Wellen dahinzufliessen.  Er wurde sich
selbst zum Traume.

Da sah er Elb oder Elbin tauchen.  Es schwamm weiss im Strome, ein
Nacken schimmerte, und jetzt hob der blanke Arm ein Hifthorn in die
Hoehe, das der Mond versilberte.  Er erkannte sein entwendetes Erbteil
und trat ohne Hast und Erstaunen dem freundlichen Wunder nahe.

"Herr Wulfrin", jubelte eine Knabenstimme, "freue dich!  Glueck ueber
dir!  Ich halte dein Horn!", und Gabriel, der sein Hirtenhemde wieder
umgeworfen hatte, sprang zu ihm empor.

"Schon heute mittag", erzaehlte er, "sah ich es beim Fischen auf dem
Grunde.  Ich kannte es gleich, doch war ich nicht allein und musste die
Nacht erwarten.  Hat es schon lange gelegen?" Er schuettelte das Horn
und liess das Wasser sorgfaeltig aus der Bauchung abtropfen.  "Wenn es
nur nicht verdorben ist!" Er hob es an den Mund und stiess darein, dass
die Berge widerhallten.  "Hier, Herr!" sagte er.  "Wahrhaftig, es hat
ihm nichts getan.  Ein wackeres Schlachthorn!"

Wulfrin ergriff es und hing es sich um.  Als er sich aber einen
Goldring--irgendein Beutestueck--von der Hand ziehen wollte, um den
Knaben abzulohnen, wehrte Gabriel.  "Nein, Herr, lege lieber ein Wort
fuer mich ein, dass mich der Kaiser mitreiten laesst!  Doch jetzt muss ich
heim!  Ich habe noch in den Staellen zu tun.  Kommst du mit?  Ich weiss
Stapfen an dem Felsen empor, und wir gelangen durch ein
Hinterpfoertchen noch einmal so rasch in den Hof als auf dem Burgwege."

Und Wulfrin folgte.  Die Handlichkeit und Herzlichkeit des Buben hatte
seine Sinne und Geister erwaermt.  Der Wiedergewinn seines Erbes weckte
das Bild des Vaters und die kindliche Gesinnung auf.  Und obwohl aus
dem Elben ein Menschenknabe geworden war, zitterte doch ueber dem Strom
ein Schimmer von Geisterhilfe.  "Am Ende ist es der Vater", sagte er
sich, "und er wird mir beistehen, wenn er kann.  Wenn er noch irgend
da ist, laesst er mich nicht elend umkommen.  Ich will ihn rufen.
Vielleicht antwortet er.  Es ist ein Glaube, dass der Tote aus dem
Grabmal mit seinen Kindern redet.  Ich wage es!  Ich blase ihn wach!
Dann frage ich nichts als: Vater, ist Palma dein Kind?  Redet er nicht,
so nickt er wohl oder schuettelt das Haupt." Obschon der Hoefling an
Stemma nicht zweifelte, deren Wesen ueber ihn Gewalt hatte, focht ihn
doch der Widerspruch zwischen dem Glauben an die Lebendige und der
Frage an den Toten wenig an.  Er fuehlte einfach, dass er den
Vater--wenn dieser zu erreichen sei--befragen und beraten muesse, ehe
er sich anklage und sich richten lasse.  Aber seine Ruhe war weg, sein
Geist gespannt, und er hoerte kein Wort von dem, was der Knabe
unterweges plauderte.

Ebenso unruhig schritt Stemma hinter dem erhellten Fenster, das der
Emporklimmende ueber dem Burgfelsen aufsteigen sah.  Aus der Ferne und
Tiefe war ein Ton zu ihr hergedrungen, den sie hasste und den sie
vernichtet zu haben glaubte.  Waehrend ihr Kind auf dem Lager
schlummerte, ging sie rastlos auf und nieder.  Sie vergegenwaertigte
sich Wulfrin, wie er vor Kaiser und Volk eines seltenen, ja
unglaublichen Frevels sich beschuldigte, und ihr wurde bange, dass sie
und wie sie ueber ihn richten werde.

War es denkbar, dass sich die Natur so verirrte? dass ein so lauterer
Mensch in eine solche Suende verfiel?  War es nicht wahrscheinlicher,
dass hier Irrtum oder Luege Bruder und Schwester gemacht hatte?  So
haette die Richterin ohne Zweifel geforscht und untersucht, waere sie
nicht Stemma und Palma nicht ihr Kind gewesen.  Aber sie durfte nicht
untersuchen, denn sie haette etwas Vergrabenes aufgedeckt, eine,
zerstoerte Tatsache hergestellt, ein Glied wieder einsetzen muessen, das
sie selbst aus der Kette des Geschehenen gerissen hatte.

Jetzt begann es mit einem Male vor ihr aufzutauchen, die Suende des
Unschuldigen sei das gegen sie selbst heranschreitende Verhaengnis.
"Gilt es mir?  Wird ein Plan gegen mich geschmiedet?  Ist eine
Verschwoerung im Werke?" rief sie ins Dunkel hinein.

Da hatte sie ein Gesicht.  Sie erblickte mit den Augen des Geistes
durch die daemmernde Wand, weit in der Ferne und doch ganz nahe, ein
gewaltiges Weib von furchtbarer Schoenheit.  Diese sass in langen,
blauen Gewanden, eine Tafel auf das uebergelegte Knie gestuetzt, einen
Griffel in der Hand, schreibend oder zaehlend, irgendeine Loesung
suchend.  Nach einigem Sinnen ging ein stilles langsames Laecheln ueber
den strengen Mund und schien zu sagen: So ist es gut und siehe, es ist
so einfach!

Da glaubte die Richterin eine Feindin sich gegenueber zu sehen und
trotzte ihr, Weib gegen Weib.  "Das bringst du nicht heraus!  Du
findest keine Zeugen!" Die Fremde aber hob die Tafel mit beiden Haenden
empor ueber die sonnenhellen Augen und verschwand.  "Du hast keine
Zeugen!" rief ihr die Richterin nach.  Ihr antwortete ein
erschuetternder Ruf, der aus allen Waenden, aus allen Mauern drang, als
werde die Posaune geblasen ueber Malmort.

Stemma erbebte.  Sie sprang an das Lager ihres Kindes, um es fest in
den Armen zu halten, wenn Malmort unterginge.  Palma war nicht erwacht,
sie schlief ruhig fort.  Die Richterin besann sich.  Hatte der
grauenhafte Ton in Tat und Wahrheit diese Luft, diese Raeume, diese
Mauern erschuettert?  Muesste Palma nicht aus dem tiefsten Schlummer
aufgefahren sein?  Es war unmoeglich, dass der gewaltige Ruf sie nicht
geweckt haette.  Frau Stemma war nicht unerfahren in solchen
unheimlichen Dingen: sie kannte die Schrecken der Einbildung und die
Sprache der ueberreizten Sinne.  Sie hatte es erfahren an den
Schuldigen, die sie richtete, und an sich selbst.  "Das Ohr hat mir
geklungen", sagte sie, die noch am ganzen Leibe zitterte.

Haette sie durch Dielen und Mauern blicken koennen, so sah sie den
bleichen Wulfrin, der an der Gruft des Vaters kniete, ins Horn stiess,
ihn ruehrend beschwor, ihm herzlich zusprach, Rede zu stehen.  Sie
haette gesehen, wie Wulfrin, da der Stein schwieg, das Horn zum andern
Male an den Mund setzte und endlich verzweifelnd ueber die Mauer sprang.

Wieder schuetterte Malmort in seinen Tiefen, staerker noch als das
erstemal.  Da war kein Zweifel mehr, es war das Wulfenhorn, das sie
mitten in Gischt und Sturz geschleudert und in unzugaengliche Tiefen
hatte versinken sehen.  Sie sann an dem aengstlichen Raetsel und konnte
es nicht loesen.  Sie sann, bis ihr die Stirnader schwoll und das Haupt
stuermte.

Da fiel ihr zur boesen Stunde der Comes ein, wie er murmelnd im Schilfe
sitze und mit dem schweren Kopfe unablaessig daran herumarbeite, ob
Frau Stemma ihm ein Leides getan.  "Er besucht sein Grabmal und stoesst
in sein Horn!  Er stoert die Nacht!  Er verwirrt Malmort!  Er schreckt
das Land auf!  Das leide ich nicht!  Ich verbiete es ihm!  Ich bringe
den Empoerer zum Schweigen!" Und der Wahn gewann Macht ueber diese Stirn.

Ohne sich nach Palma umzusehen, stuerzte sie zornig die Wendeltreppe
hinab und betrat den Hof, wo der Comes und ihr eigenes Bild auf der
Gruft lagen.  Darueber webte ein ungewisser Daemmer, da eine leichte
Wolke den Mond verschleierte.  Der Comes liess sein Horn zurueckgleiten,
und die steinerne Stemma hob die Haende, als flehe sie: Huete das
Geheimnis!

Aufgebracht stand die Richterin vor dem Ruhestoerer.  "Arglistiger",
schalt sie, "was peinigst du mein Ohr und bringst mein Reich in
Aufruhr?  Ich weiss, worueber du bruetest, und ich will dir Rede stehen!
Keine Maid hat dir der Judex gegeben!  Ich trug das Kind eines andern!
Du durftest mich nie beruehren, Trunkenbold, und am siebenten Tage
begrub dich Malmort!  Siehst du dieses Gift?" Sie hob das Flaeschchen
aus dem Busen.  "Warum ich leben blieb, die dir den Tod kredenzte?
Dummkopf, mich schuetzte ein Gegengift!  Jetzt weisst du es!  Palma
novella unter meinem Herzen hat dich umgebracht!  Und jetzt quaele mich
nicht mehr!"

So grelle und freche Worte redete die Richterin.

Durch ihr lautes Schelten zu sich selbst gebracht, betrachtete sie
wieder den Comes, der jetzt im klarsten Mondenlichte lag.  Die
furchtbare Geschichte kuemmerte ihn nicht, er lag regungslos mit
gestreckten Fuessen.  Jetzt sah sie, dass sie zum Steine gesprochen, und
schlug eine Lache auf.  "Heute bin ich eine Naerrin!" sagte sie.  "Ich
will zu Bette gehen."

Sie wandte sich.  Palma novella stand hinter ihr, weiss, mit
entgeisterten Augen, das Antlitz entstellt, starr vor Entsetzen.  Der
zweite Hornstoss hatte sie geweckt, und sie war der Mutter auf
besorgten Zehen nachgeschlichen.

Zwei Gespenster standen sich gegenueber.  Dann packte Stemma den Arm
des Maedchens und schleppte es in die Burg zurueck.  Sie selbst hatte
ihrem Geheimnisse einen Mund und einen Zeugen gegeben, und dieser
Zeuge war ihr Kind.




Fuenftes Kapitel


Seit der Hoefling aus Malmort verschwunden war, lastete auf den
schweren Mauern Schweigen und Kuemmernis.  Das Gesinde munkelte
allerlei, und Knechte und Dirnen steckten die Koepfe zusammen.  Die
junge Herrin sei krank.  Es sei ihr angetan worden.  Irgendein
Zauber--ob sie einer Drude begegnet oder ein giftiges Kraut
verschluckt oder aus einem schaedlichen Quell getrunken--habe die
Aermste der Vernunft beraubt.  Ihr mangle der Schlummer, sie weine
unablaessig und lasse sich weder troesten noch auch nur beruehren.  Ihr
widerstehe Speise und Trank und sie schwinde zum Gerippe.  Die Laute
und Wilde sei gar still und zahm und ihr Lebensfaden zum Reissen duenn
geworden.  Die bekuemmerte Richterin folge ihr auf Schritt und Tritt
und duerfe sie nicht aus den Augen lassen.

Zwei Maegde standen am Brunnen zusammen und fluesterten.  Benedicta war
der jungen Herrin unversehens im Flur begegnet und wollte ihr
gebuehrlich die Hand kuessen.  Palma sei angstvoll zurueckgewichen und
habe aufgeschrien: "Ruehre mich nicht an!" Veronica hatte durch das
Schluesselloch gespaeht und was erblickt? etwas ganz Unglaubliches: die
stolze Frau Stemma vor ihrem Kinde niedergeworfen, ihm liebkosend die
Knie umfangend und um die Gnade flehend, dass es den Mund oeffne und
einen Bissen beruehre.

Die Maegde verstummten, hoben sich die Kruege zu Haupte und drueckten
sich, eine hinter der andern, waehrend langsam die Richterin mit Palma
aus der Pforte trat und die Stufen herunterschritt.  Frau Stemma
stuetzte das Maedchen, das, elend und zerstoert, sich selbst nicht mehr
gleichsah.  Palma ging mit gebeugtem Ruecken und unsichern Knien.  Gross,
doch ohne Strahl und Waerme, traten die Augen aus dem vermagerten
Antlitz.  "Komm, Kindchen", sagte Frau Stemma, "du musst Luft schoepfen",
und sie oeffnete ein Gatter, das auf eine zirpende und summende Wiese
fuehrte, die einen weiten leicht geneigten Vorsprung der Burghoehe
bekleidete und ueber die Grenzlinie der unsichtbaren Tiefe hinweg in
eine lichte Ferne verlief.

Sie setzten sich auf eine Bank, und Frau Stemma betrachtete ihr Kind.
Da ergrimmte sie und weinte zugleich in ihrem Herzen ueber die
Verwuestung des einzigen, was sie liebte.  Aber sie blieb aufrecht und
guertete sich mit ihrer letzten Kraft.  "Wie", sagte sie sich, "Mir
gelaenge es nicht, dieses Gehirnchen zu betoeren, dieses Herzchen zu
ueberwaeltigen?"

"Mein Kind", begann sie, "hier sind wir allein.  Lass uns noch einmal
recht klar und klug miteinander reden"--

"Wenn du willst, Mutter."--"miteinander reden von dem Wahne jener
Nacht.  Ich wachte, du schliefest.  Da laermt es im Hofe.  Ich gehe
hinunter, es war nichts, und ich lache ueber meinen leeren Schrecken.
Ich wende mich.  Du stehst vor mir nachtwandelnd, mit offenen stieren
Augen.  Ich ergreife dich und fuehre dich in das Haus zurueck.  Und du
erwachst aus dem abscheulichen Traume, der dich jetzt peinigt und
zugrunde richtet."

"Ja und nein, Mutter.  Mich weckte ein Ruf, ich sehe dich hinauseilen
und folge dir auf dem Fusse.  Du standest im Hofe vor den Steinbildern
und schaltest den Vater und erzaehltest ihm"--sie hielt schaudernd inne.

"Was erzaehlte ich?" fragte die Richterin.

"Du sagtest"--Palma redete ganz leise--"dass ich nicht sein Kind bin.
Du sagtest, dass ich schon unter deinem Herzen lag.  Du sagtest, dass du
und ich ihn getoetet haben."

"Liebe Toerin", laechelte Frau Stemma, "nimm all dein Denken zusammen
und verliere keines meiner Worte.  Ich haette mit einem Steine geredet?
als eine Aberglaeubische? oder eine Naerrin?  Kennst du mich so?  Und du
waerest nicht das Kind des Comes?  Mit wem war ich denn sonst vermaehlt?
Habe ich dir nicht erzaehlt, dass ich eine Gefangene war auf Malmort,
bis mich der Comes freite?  Und ich haette den Gatten getoetet?  Ich,
die Richterin und die Aerztin des Landes, haette Gifte gemischt?  Kannst
du das glauben?  Haeltst du das fuer moeglich?"

"Nein, Mutter, nein!  Und doch, du hast es gesagt!"

"Palma, Palma, misshandle mich nicht!  Sonst muesste ich dich hassen!"

Palma brach in trostlose Traenen aus und warf sich gegen die Brust der
Mutter, die das schluchzende Haupt an sich presste.  "Du bringst mich
um mit deinem Weinen", sagte sie.  "Glaube mir doch, Naerrchen!"

Palma hob das Angesicht und blickte um sich.  "Weidet hier am Rande
ein Zicklein, Mutter?"

"Ja, Palma."

"Laeutet dort Maria in valle?" Sie wies ein im Tale schimmerndes
Kloster.

"Ja, Palma."

"Ebenso wahr, als ich jetzt nicht traeume und das Zicklein weidet und
das Kirchlein laeutet, ebensowenig habe ich getraeumt, dass du vor
Wulfrins Vater gestanden und ihn angeredet hast.  Es war so, es ist so.
Du spraechest immer die Wahrheit, Mutter."

"Ich sage dir, Palma, es ist ein Traum.  Und ich will, dass es ein
Traum sei."

Palma erwiderte sanft: "Beluege mich nicht, Mutter!  Habe ich doch
vorhin, da du mich an dich presstest, den scharfen Kristall empfunden,
welchen du aus dem Busen gezogen und dem Comes gezeigt hast."

Die Richterin schnellte empor mit einem feindseligen Blicke gegen ihr
Kind, glitt aber langsam auf die Bank zurueck, und nachdem sie eine
Weile in den Boden gestarrt, sagte sie: "Waere es so und haette ich so
getan, so waere es deinetwegen."

"Ich weiss", sagte Palma traurig.

"Habe ich es getan", wiederholte Stemma, "so tat ich es dir zuliebe.
Ich toetete, damit mein Kind rein blieb."

Palma zitterte.

"Warum hast du dich in mein Geheimnis gedraengt, Unselige?" fluesterte
Stemma ingrimmig.  "Ich huetete es.  Ich verschonte dich.  Du hast es
mir geraubt!  Nun ist es auch das deinige, und du musst es mir tragen
helfen!  Lerne heucheln, Kind, es ist nicht so schwer, wie du glaubst!
Aber wo sind deine Gedanken?  Du bist abwesend!  Wohin traeumst du?"

"Was ist aus Wulfrin geworden?" fragte sie leise, und eine schwache
Roete glomm und verschwand auf den gehoehlten Wangen.

"Ich weiss nicht", sagte die Richterin.

"Jetzt verstehe ich, dass er mich verabscheut", jammerte Palma.  "O ich
Elende!  Er stoesst mich von sich, weil er Mord an mir wittert.  Mir
graut vor meinem Leibe!  Laege ich zerschmettert!"

"Aengstige dich nicht!  Wulfrin hat keinen Argwohn.  Er ist glaeubig und
er traut."

"Er traut!" schrie Palma empoert.  "Dann eile ich zu ihm und sage ihm
alles wie es ist!  Ich laufe, bis ich ihn finde!" Sie wollte
aufspringen, die Mutter musste sie nicht zurueckhalten, erschoepft und
entkraeftet sank sie ihr in den Schoss.

"Ich verrate dich, Mutter!"

"Das tust du nicht", sagte Stemma ruhig.  "Mein Kind wird nicht als
Zeugin gegen mich stehen."

"Nein, Mutter."

Die Richterin streichelte Palma.  Diese liess es geschehen.  Darauf
sagte sie wieder: "Mutter, weisst du was?  Wir wollen die Wahrheit
bekennen!"

Frau Stemma bruetete mit finstern Blicken.  Dann sprach sie: "Foltere
mich nicht!  Auch wenn ich wollte, duerfte ich nicht.  Dieser wegen!",
und sie deutete auf ihr Gebiet.  "Wuerde laut und offenbar, dass hier
waehrend langer Jahre Suende Suende gerichtet hat, irre wuerden tausend
Gewissen und unterginge der Glaube an die Gerechtigkeit!  Palma!  Du
musst schweigen!"

"So will ich schweigen!"

"Du bist meine tapfere Palma!" und die Richterin schloss ihr den Mund
mit einem Kusse.  "Aber Kind, Kind, wie wird dir?" Palmas Augen waren
brechend, und das Herz klopfte kaum unter der tastenden Hand der
Mutter.  Diese bettete die Halbentseelte und eilte verzweifelnd in die
Burg zurueck.

Sie kam wieder mit einer Schale Wein und einem Stuecklein Brot.  Sie
kniete sich nieder, brach und tunkte den Bissen und bot ihn der
Entkraefteten.  Diese wandte sich ab.

Da bat und flehte die Richterin: "Nimm, Kind, deiner Mutter zuliebe!"
Jetzt wollte Palma gehorchen und oeffnete den entfaerbten Mund, doch er
versagte den Dienst.

Stemma sah eine Sterbende.  Da starb auch sie.  Ihr Herz stand stille.
Ein Todeskrampf verzog ihr das Antlitz.  Eine Weile kniete sie starr
und steinern.  Dann verklaerte sich das Angesicht der Richterin, und
ein Schauer der Reinheit badete sie vom Haupt zur Sohle.

"Palma", sagte sie zaertlich, und dieser warme Klang, hob die Lider des
Kindes, "Palma, was meinst du?  Ich lade den Kaiser ein nach Malmort.
Wir treten vor ihn Hand in Hand, wir bekennen und er richtet." Da
freuten sich die Augen Palmas, und ihre Pulse schlugen.

"Nimm den Bissen", sagte die Richterin und speiste und traenkte ihr
Kind.

Sie fuehrte die Neubelebte in den Hof zurueck.  In der Mitte desselben
stand Rudio, noch keuchend vom Ritte.  "Heil und Ruhm dir, Herrin!"
frohlockte er.  "Ich melde den Kaiser!  Der Hoechste sucht dich heim!
Er naht!  Er zieht maechtig heran und mit ihm ganz Raetien!"

"Dafuer sei er gepriesen!" antwortete die Richterin.  "Komm, Kind, wir
wollen uns schmuecken!"

Da Kaiser Karl mit allem Volke den Burgweg erstiegen hatte, hiess er
Gesinde und Gefolge vor dem Tore zurueckbleiben und betrat allein den
Hof von Malmort.  Stemma und Palma standen in weissen Gewaendern.  Die
Richterin schritt dem Herrscher entgegen und bog das Knie.  Palma
hinter ihr tat desgleichen.  Karl hob die Richterin von der Erde und
sagte: "Du bist die Frau von Malmort.  Ich habe deine Botschaft
empfangen und bin da, Ordnung zu schaffen, wie du gefordert hast.
Hier ist Freiheit in Frevel und Kraft in Willkuer entartet.  Ich will
diesem Gebirge einen Grafen setzen.  Weisst du mir den Mann?"

"Ich weiss ihn", antwortete die Richterin.  "Es ist Wulfrin, Sohn Wulfs,
dein Hoefling, ein treuer und tapferer Mann, zwar noch leichtglaeubig
und unerfahren, doch die Jahre reifen."

"Ich fuehre ihn mit mir", sprach der Kaiser, "aber als einen, der sich
selbst anklagt und dein Gericht begehrt, sich so grossen Frevels
anklagt, dass ich nicht daran glauben mag.  Frau, heute ist mir unter
diesem leuchtenden Berghimmel ein Zeichen begegnet.  Vor deiner Burg
hat mein Ross an einer Toten gescheut, die mitten im Wege lag.  Ich
liess sie aufheben.  Es ist deine Eigene.  Sie harrt vor der Schwelle."

Er daempfte die Stimme: "Frau, was verbirgt Malmort?  Waerest du eine
andere, als die du scheinest, und stuendest du ueber einem begrabenen
Frevel, so waere deine Waage falsch und dein Gericht eine
Ungerechtigkeit.  Lange Jahre hast du hier ruehmlich gewaltet.  Gib
dich in meine Haende.  Mein ist die Gnade.  Oder getraust du dich,
Wulfrin zu richten?"

"Herr", antwortete sie, "ich werde ihn und mich richten unter deinen
Augen nach der Gerechtigkeit." Karl betrachtete sie erstaunt.  Sie
leuchtete von Wahrheit.  "So walte deines Amtes", sagte er.

Dann ging er auf das kniende Maedchen zu.  "Palma novella!" sagte er
und hob sie zu sich empor.  Sie blickte ihn an mit flehenden und
vertrauenden Augen, und sein Herz wurde geruehrt.

"Rudio", gebot die Richterin, "bringe Faustinen her!" Der Kastellan
gehorchte und trug die Buerde herbei, die er an den Grabstein lehnte.
"Jetzt tue auf das Tor und oeffne es weit!  Alles Volk trete ein und
sehe und hoere!"

Da waelzte sich der Strom durch die Pforte und fuellte den Raum.  Die
Hoeflinge scharten sich um den Kaiser, Alcuin und Graciosus unter ihnen,
waehrend die Menge Kopf an Kopf stand und selbst Tor und Mauer erklomm,
ein dichter und schweigender Kreis, in dessen Mitte die Gestalt des
Kaisers ragte, in langem, blauem Mantel, mit strahlenden Augen.  Neben
ihm Stemma und ihr Kind.  Vor den dreien stand Wulfrin und sprach, den
Blick fest und ungeteilt auf Stemma geheftet: "Jetzt richte mich!"

"Gedulde dich!" sagte sie.  "Erst rede ich von dieser", und sie wies
auf die entseelte Faustine, die mit gebrochenen Augen und haengenden
Armen an der Gruft sass.

"Raeter", sprach sie, und es wurde die tiefste Stille, "ihr kennet jene
dort!  Sie hat unter euch gewandelt als eine Rechtschaffene, wofuer ihr
sie hieltet.  Nun ist ihr Mund verschlossen, sonst riefe er: Ihr irret
euch in mir!  Ich bin eine Suenderin.  Ich, die das Kind eines andern
im Schosse barg, habe den Mann gemordet"--

"Frau", schrie Wulfrin ungeduldig, "was bedeutet die Magd!  Mich lass
reden, meinen Frevel richte, damit ein Ende werde!"

"Nun denn!  Aber zuerst, Wulfrin--nicht wahr, wenn diese hier"--sie
zeigte Palma--"nicht das Kind deines Vaters, nicht deine Schwester,
sondern eine andere und Fremde waere, dein Frevel zerfiele in sich
selbst?"

"Frau, Frau!" stammelte er.

"Kaiser und Raeter", rief Stemma mit gewaltiger Stimme, "ich habe getan
wie Faustine.  Auch ich war das Weib eines Toten!  Auch ich habe den
Gatten ermordet!  Die Herrin ist wie die Eigene.  Hoert!  Nicht ein
Tropfen Blutes ist diesen zweien gemeinsam!" Sie streckte den Arm
scheidend zwischen Wulfrin und Palma.  "Hoert! hoert!  Kein Tropfen
gleichen Blutes fliesst in diesem Mann und in diesem Weibe!  Zweifelt
ihr?  Ich stelle euch einen Zeugen.  Palma novella, das Kind Stemmas
und Peregrins des Klerikers, hat das Geheimnis meiner Tat belauscht.
Sie glaubt daran und stirbt darauf, dass ich wahr rede.  Gib Zeugnis,
Palma!"

Aller Augen richteten sich auf das Maedchen, das mit gesenktem Haupte
dastand.  Palma bewegte die Lippen.

"Lauter!" befahl die Richterin.

Jetzt sprach Palma hoerbar den Vers der Messe: "Concepit in
iniquitatibus me mater mea..."

Da glaubte das Volk und entsetzte sich und stuerzte auf die Knie und
murmelte: "Miserere mei!" Wulfrin streckte die Arme und rief gen
Himmel: "Ich danke dir, dass ich nicht gefrevelt habe!" Karl aber trat
zu Palma und huellte sie in seinen Mantel.

"Nun richte du, Kaiser!" sprach Stemma.

"Richte dich selbst!" antwortete Karl.

"Nicht ich", sagte sie, wendete sich zu dem Volke und rief:
"Gottesurteil!  Wollt ihr Gottesurteil?"

Es redete, es rief, es droehnte: "Gottesurteil!"

Da sprach die Richterin feierlich: "Erstorbenes Gift, erstorbene Tat!
Lebendige Tat, lebendiges Gift!" und hatte den Kristall aus dem Busen
gehoben und geleert.

Eine Weile stand sie, dann tat sie einen Schritt und einen zweiten
wankenden gegen Wulfrin.  "Sei stark!" seufzte sie und brach zusammen.
Rudio neigte sich ueber die Tote, hob sie auf seine Arme und trug sie
zu Faustinen.  Dort sass sie am Grabe, die Hoerige aber neigte sich und
legte das Antlitz in den Schoss der Herrin.

Jetzt enthuellte der Kaiser das Maedchen, das einen jammervollen Blick
nach der Mutter warf, faltete die Haende und gebot.  "Oremus pro magna
peccatrice!" Alles Volk betete.

Dann sagte er mit milder Stimme: "Was wird aus diesem Kinde?  Ich
ziehe nicht, bis ich es weiss.  Wie raetst du, Alcuin?"

"Sie tue die Geluebde!" rief der Abt.

"Ehe sie gelebt hat?" schrie Wulfrin angstvoll.

"Dann weiss ich ein anderes.  Graciosus"--der Abt hielt ihn an der
Hand--"dieser hier, ein frommer Juengling, hat ein Wohlgefallen an der
Aermsten"--

"Herr Abt", unterbrach ihn der aufgeregte Gnadenreich, "das geht ueber
Menschenkraft.  Mir graut vor dem Kinde der Moerderin.  Alle guten
Geister loben Gott den Herrn!"

Wulfrin sprang in die Mitte.  "Kaiser und ihr alle", rief er, "mein
ist Palma novella!"

Da redete Karl: "Sohn Wulfs, du freiest das Kind seiner Moerderin?
Ueberwindest du die Daemonen?"

"Ich ersticke sie in meinen Armen!  Hilf, Kaiser, dass ich sie
ueberwaeltige!"

Karl hiess das Maedchen knien und legte ihr die Haende auf das Haupt.
"Waise!  Ich bin dir an Vaters Statt!  Begrabe, die deine Mutter war!
Dieser folge mir ins Feld!  Gott entscheide!  Kehrt er zurueck und
stoesst er ins Horn, so freue dich, Palma novella, fuelle den Becher und
vollende den Spruch!  Dann entzuendet Rudio die Brautfackel und
schleudert sie in das Gebaelke von Malmort!"


Ende dieses Projekt Gutenberg Etextes Die Richterin, von Conrad
Ferdinand Meyer.




*** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK, DIE RICHTERIN ***

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